Zur Geschichte der Schutzhütten in den Ennstaler Alpen

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Anlässlich der Eröffnung des Buchsteinhauses 1924.

Zur Geschichte der Schutzhütten in den Ennstaler Alpen ist ein Beitrag des Admonter Historikers Ernst Kren in der Kulturzeitschrift aus Österreichs Mitte "Da schau her" in der Ausgabe 3/2020.

Mit dem Bau der Ennstaler Hütte wurde vor 135 Jahren der erste alpine Stützpunkt in den Gesäusebergen errichtet und damit die touristische Erschließung der Ennstaler Alpen eingeleitet.

Wiener als "Ennsthaler" Pioniere

Heinrich Heß, Entdecker, Visionär und Pionier der Gesäuseerschließung.

Es war der Wiener Metallwarenfabrikant Heinrich Heß, der das Gesäuse in den 1870er-Jahren entdeckte. Er fand "sein Ennsthal" laut der 1880 erschienenen "monografischen Skizze", "wie zwei Liebende sich finden müssen ...". Mit drei Dutzend Mitgliedern gründete er "die Alpine Gesellschaft D’Ennsthaler", die zahlreiche touristische Erstbegehungen verzeichneten (u.a. Kleiner Buchstein, Peternpfad, Wasserfallweg ...) und mit viel Eifer das aus Alm- und Jagdsteigen bestehende Wegenetz ausbauten. Heß publizierte als Schriftleiter der Zeitschrift des DÖAV etliche Tourenberichte, veröffentlichte 1884 den alpenweit ersten Gebirgsführer, war am ersten Kartenwerk von Gustav Freytag (1895) beteiligt und regte bei den Österreichischen Staatsbahnen den berühmten "Gesäuse-Nachtzug" an. Der posthum zum "Vater des Gesäuses" geadelte Heß pflegte auch eine langjährige freundschaftliche Beziehung zu den Einheimischen, vornehmlich mit dem Admonter Bürgermeister Carl Pongratz, dem Hotelier Franz Sulzer und dem Fotografen Franz Fankhauser, die 1892 auf seine Anregung hin die erste lokale AV-Sektion "Ennsthal-Admont" gründeten. Die regen Aktivitäten des Gesäusepioniers förderten den Bekanntheitsgrad der Ennstaler Alpen, die im Zuge des aufkeimenden Alpinismus immer mehr Aufmerksamkeit und Zulauf erhielten. So kam es auch, dass die Kapazitäten der Almhütten als provisorische Stützpunkte bald erschöpft waren und die Errichtung eines Schutzhauses seitens der "Ennsthaler" in Erwägung gezogen wurde.

Ennstaler Hütte: Die Grande Dame der Schutzhütten

Die Ennstaler Hütte 1887.

Der zu Beginn der 1880er-Jahre beliebteste Gipfel war wohl der Tamischbachturm. Die Anstiege bis zur 1 420 m hoch gelegenen Egger Hochalm, ebenso wie jener von der Hochscheibenalm kommend, waren bereits gegeben und auch weiter aufwärts führten schon die bequemen Pfade der Waidmänner. Der elegant anmutende Berg war also vom "Gesäuse-Hauptbahnhof" Gstatterboden aus leicht erreichbar und bot darüber hinaus einen "famosen Rundumblick". Im Zuge einer Rekognoszierung der Buchsteingruppe plante Heß hier den Bau dieses ersten Stützpunktes. Der Wiener Industrielle war zu dieser Zeit ein schon bekannter Gast und auch die Grundbesitzer kamen dem umtriebigen Alpinisten entgegen. Dementsprechend unproblematisch verliefen die Verhandlungen. Gründe für die Bauplatzwahl waren das Vorhandensein einer – wenn auch spärlichen – Quelle und die ausreichende Entfernung zur darunterliegenden Egger Hochalm bzw. zur Egger-Jagdhütte. So konnte noch im Spätherbst 1884 mit der Bauholzschlägerung begonnen und die Fundamentierung fertiggestellt werden. Die feierliche Eröffnung des gerade einmal 7 x 9 Meter großen Hauses erfolgte am 15. August 1885. Vier Jahre später musste das bescheidene Haus erstmals erweitert werden, immerhin wies die Hüttenbilanz schon beachtliche 433 Besucher auf. Zwischenzeitlich nahmen die alpinistischen Aktivitäten in allen Gebirgsgruppen der Ennstaler Alpen volle Fahrt auf, wobei neben dem Peternpfad besonders der 1891 zunächst mit Steigbäumen und Holzleitern gesicherte Wasserfallweg ambitionierte Bergsteiger geradezu magisch anzog. Dies war auch der Grund, dass "D’Ennsthaler" die Idee eines weiteren Schutzhauses entwickelten.

Das Haus des "Gesäusevaters"

Die Heßhütte bei ihrer Eröffnung am 22. Juni 1893.

Schon zu Beginn der 1880er-Jahre galt das Interesse auch der Hochtorgruppe, wo Heß und Gefährten zunächst die Roßkuppe und das Hochtor ins Visier nahmen (1884), im selben Jahr Emil Zsigmondy die Überschreitung vom Hochtor zum Ödstein gelang und Daniel Inthaler mit dem ersten Nordwandanstieg (Planspitze 1885) Alpingeschichte schrieb. An ein Schutzhaus an der Nordseite wurde zu dieser Zeit jedoch noch nicht gedacht, die Standortsuche widmete sich demnach der Südseite. Dem ersonnenen Platz am Tiefboden wurde aus jagdlichen Gründen eine Absage erteilt, weshalb der 1 699 Meter hohe Ennsecksattel als Bauplatz auserkoren wurde. Um an das rund 150 Höhenmeter tiefer gelegene Wasser des Gamsbrunnens zu gelangen, wurde der ursprüngliche Weg durch den Tiefboden verlegt. Die Kosten dafür übernahm der damalige Admonter Bürgermeister, weshalb diese Passage als "Pongratz-Promenade" bezeichnet wurde. Nach einjähriger Bauzeit und mit einem bescheidenen Kostenaufwand von 2.000 Gulden wurde das nach dem Sektionsgründer Heß benannte Haus am 22. Juni 1893 eingeweiht und musste bald darauf ebenfalls schon erweitert werden. 1931 wurde die Heßhütte von der AV-Sektion Austria übernommen und seither mehrfach mit erheblichem Aufwand ausgebaut.

Die Hütte der Sektion "Ennsthal-Admont"

1878 veröffentlichten Dr. August Martinez und Franz Eduard Rumpel ihr Werk "Die Haller Mauern – eine topographisch-touristische Studie". Es war dies, inklusive naturwissenschaftlicher Beiträge von P. Gabriel Strobl, die erste umfassende Abhandlung über diesen damals noch weitgehend unbekannten Gebirgszug. Wieder war es Heß, der 1892 sowohl die Gründung der AV-Sektion Ennsthal-Admont (deren 1. Vorsitzender er war) als auch die Errichtung eines Stützpunktes in den mittlerweile viel besuchten Haller Mauern anregte.

Eröffnung der Mödlinger Hütte 1914.

Der bevorzugte Bauplatz im Zentralbereich (Mühlauer Stadel) scheiterte an jagdlichen Vorbehalten. So kam es, dass die Haller Bauernfamilie Berghofer zusagte, auf ihrem Almgebiet, genauer, am 1 725 m ü. A. hoch gelegenen Grabnerthörl, das Stammhaus der Admonter zu errichten. Ebenso problemlos wurde die Finanzierung von 7.000 Gulden durch Eigenmittel und Anteilscheine gesichert, sodass der Bau anno 1894 begonnen und innerhalb von vier Monaten (!) fertiggestellt wurde. Die feierliche Eröffnung fand am 64. Geburtstag Kaiser Franz Josephs, also am 18. August 1894 statt. Um 1900 erreichte die erste Erschließungswelle ihren Höhepunkt. Die Protagonisten dieser Epoche waren Heinrich Pfannl und Thomas Maischberger, die serienweise Erstbegehungen durchführten, darunter so spektakuläre wie die 1 000 Meter hohe Nordwand des Hochtors. Aber auch Eduard Pichls Anstieg durch die Nordwand der Planspitze und die "Lösung des letzten Problems der Alpen", die Ödsteinkante (Dibona/Rizzi, 1910) machten die Gesäuseberge endgültig zum alpenweit bekannten Mekka des führerlosen Bergsteigens in den Ostalpen. Zunehmend rückten auch weitere Gebiete in den Fokus der Alpinisten, so auch die bislang nur ohne Stützpunkt erreichbare Reichensteingruppe. Diese Lücke schloss die 1904 gegründete AV-Sektion Mödling, die an der Südseite des Reichensteins nach dreijähriger Bauzeit 1914 die Mödlingerhütte kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges eröffnete. Der kriegsbedingt eingetretene alpine Stillstand beendete auch die glanzvolle Periode der frühen Pioniertätigkeit und die Schutzhütten blieben bis Ende 1918 weitgehend verwaist.

Hüttenbau en suite

Die Haindlkarhütte bei ihrer Eröffnung 1923.

In den 1920er-Jahren ging es "stützpunkttechnisch" Schlag auf Schlag: Die von der DÖAV-Sektion Reichenstein 1923 errichtete Haindlkarhütte wurde Opfer einer Staublawine und stand daher nur wenige Monate. 1924 wurde – diesmal im Schutze eines mächtigen Steinblocks – ein minimalistischer Neubau errichtet. Diese, heute "alte" Haindlkarhütte war als Selbstversorgerhütte konzipiert, das Refugium der sogenannten "Wiener Schule", die als Kletterelite der Ostalpen international Aufsehen erregte. Meist waren es arbeitslose Wiener mit in Bergsteigerkreisen wohlbekannten Namen wie Hubert Peterka, Sepp Brunnhuber, Fritz Kasparek, Hans Schwanda, Karl Poppinger, Alfred Horeschowsky u.v.a. Die "Wiener Schule" verkörperte auch die zweite Erschließerwelle und brachte zahllose alpine Meilensteine hervor, darunter Kalbling Südgrat (1922), Rosskuppenkante (1925), Reichenstein NO-Pfeiler (1929) und Dachl-Nordwand (1931).

Ebenfalls 1924 folgte das vom "Touristenverein Naturfreunde Linz" errichtete Rohrauerhaus, das jedoch infolge eines Kaminbrandes im Dezember 1933 ein Raub der Flammen wurde und erst im Jahr 1957 wieder errichtet werden konnte. Auch das Buchsteinhaus der Naturfreunde St. Pölten wurde im selben Jahr, am 10. August 1924, seiner Bestimmung übergeben. Ursprünglich sollte die Hütte am Brucksattel erbaut werden, doch gab es hierfür keine Genehmigung. Nach mehrjährigen Verhandlungen wurde den Bauwerbern jedoch ein Platz nahe des Hohen Krautgartels zugewiesen. Knapp 90 Jahre später nagte der Zahn der Zeit derart an der Substanz, dass 2010 ein vollständiger Neubau durch die Naturfreunde Steyr in Betrieb genommen wurde.

Das Buchsteinhaus 1926.

1925 wurde von der landwirtschaftlichen Fachschule Grabnerhof auf der Grabneralm ein "Schulgebäude für Alpwirtschaft" errichtet, das später auch als Bergsteigerunterkunft genutzt wurde. Auf Betreiben von "Gesäusepapst" Hubert Peterka folgte 1929 von der AV-Sektion Gebirgsverein auf der Hintergoferalm der Bau der Goferhütte. "Peterkas Eigenheim unterm Reichenstein" blieb jedoch ob wenig interessanter Alpinziele als Selbstversorgerhütte weitgehend unbedeutend. Zehn Jahre danach wurde vom "Bergsportverein Gesäuse" (im Auftrag der Deutschen Wehrmacht, die in Admont ein überdimensioniertes Garnisonslager errichtete) eine Kaserne zur Ausbildung von Gebirgsjägern am Kalblingboden erbaut. Das 1941 fertiggestellte U-förmige Haus wurde nach dem Kommandanten Oberst Rudolf Klinke benannt und 1959 von der AV-Sektion Admont übernommen. Um dem vermehrten Besucheraufkommen gerecht zu werden, erfolgte 1960 auch der Bau der "neuen" Haindlkarhütte, womit die letzte "neue" Schutzhütte ihren Betrieb aufnahm.

Bilder zum Abschnitt

Bild 1: Die Grabneralmhütte 1925.
Bild 2: Die Klinkehütte 1941 als Gebirgsjägerkaserne genutzt.
Bild 3: Das Rohrauerhaus 1926.

Versorgung und Bewirtschaftung einst und jetzt

Rosa Gredler, die "dienstälteste" Hüttenwirtin im Gesäuse.

Anno dazumal sicherten Menschenkraft und Pferdestärken die Versorgung mit Lebensmitteln, Brennholz und anderen zur Bewirtschaftung notwendigen Gütern. Die mühsame Belieferung bewirkte ein dementsprechend marginales Angebot: Schmalz- oder Butterbrot (fallweise mit Käse), die legendäre Erbsensuppe aus der Dose (Deluxe-Version mit Würstel), manchmal auch ein deftiger Sterz, Tee und Skiwasser rundeten das kulinarische Angebot ab. Kühlmöglichkeiten bestanden, sofern vorhanden, in bescheidenen Erdkellern. Es war daher Usus, dass Besucher auch ihre eigene Verpflegung zum Verzehr mitbrachten. Zudem wurde auf ein hohes Maß an Sittlichkeit Wert gelegt und die Lagerräume zwischen "Mandl und Weibl" dementsprechend streng getrennt (was Gerüchten zufolge nicht immer eingehalten wurde). Offenes Licht war in den Schlafräumen ebenso verboten wie Musik aus Radiogeräten. Die Botanik unter den extern errichteten Plumpsklos bestand meist aus den "anrüchigen Sauplotschen".

Die Pachtdauer durch die jeweiligen Wirtsleute betrug durchschnittlich zehn Jahre, wobei es auch hier Ausnahmen gab. So führte Rosa Gredler, die "dienstälteste" Hüttenwirtin im Gesäuse, die Heßhütte ganze 40 Jahre lang. Allein aufgrund der gegenwärtigen Besucherfrequenzen und der behördlichen Auflagen wäre eine Bewirtschaftung unter den früheren Bedingungen undenkbar. 1920 zählte man beispielsweise am Admonter Haus 1 200 Tagesbesucher pro Jahr, heute wird diese Zahl in zwei Wochen erreicht. Mit Ausnahme des Admonterhauses und der Heßhütte wurden nach und nach alle weiteren Schutzhäuser mittels Forststraßen oder Materialseilbahnen erschlossen, was die Belieferung wesentlich erleichterte. Bezüglich der Kulinarik wurde die erwähnte Erbsensuppe verbannt; heute werden famose Gerichte kredenzt, deren Zutaten vielfach aus regional produzierten Lebensmitteln bestehen.

Die Errichtung der Schutzhütten in den Ennstaler Alpen trug maßgeblich zur Markenbildung des Gesäuses als "Universität des Bergsteigens" (© Kurt Maix, 1960) und damit zur überregionalen Bedeutung als alpine Tourismusregion bei. Heute sind die "hohen Häuser" vor allem ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor mit millionenschweren Investitionen (Zu- und Neubauten, Errichtung von Klär- und Photovoltaikanlagen, Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen etc.). Auch die Versorgung mit Rohprodukten und Getränken durch Zulieferer aus der näheren Umgebung, nicht zuletzt aber der touristisch relevante Aspekt als "bedeutendster Nächtigungsbringer", tragen das Ihre zur regionalen Wertschöpfung bei. So bleiben die Schutzhütten der Ennstaler Alpen 135 Jahre nach dem Bau des ersten Stützpunktes wohl auch in Zukunft der Motor für Alpinismus und Wirtschaft in der Nationalparkregion Gesäuse.

Quelle

  • Ernst Kren: "Hohes Haus. Zur Geschichte der Schutzhütten in den Ennstaler Alpen.", in: "Da schau her", 2020, Ausgabe 3