Allerheiligen in Pürgg einst und jetzt

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Zeitzeugendokument
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Allerheiligen in Pürgg einst und jetzt ist eine private Geschichte, erzählt von Stefan Berger junior aus Liezen, bekannt auch als "Ebner-Steff", Wörschachwald und Liezen.

Allerheiligen in Pürgg einst und jetzt

Wenn man in Pürgg in die Kirche geht, fällt jedenfalls der Anblick hinauf zum Friedhof-Eingang besonders auf, nicht umsonst sieht man dieses Bild immer wieder in Heimat und Bergfilmen. Das Tor, die Kirche und der Grimming im Hintergrund sind eine Augenweide und das Tor ist zugleich der Zutritt zum Friedhof von Pürgg, der rund um die gesamte Kirche angelegt ist und von dem aus eine herrliche Aussicht ins Ennstal und darüber hinaus über das Donnersbachtal und die Niederen Tauern gegeben ist! Dieser Friedhof ist seit Jahren so sauber gehalten und gepflegt und lädt jederzeit zu einem Rundgang ein und so war es nach meinen Beobachtungen, nicht immer.

Dies zur Einleitung zu dieser Geschichte, vielmehr möchte ich den Unterschied bei der Pflege und den Gesamtzustand von einst und jetzt, sowie die Gebräuche, ein wenig beleuchten. Mit meinen 87 Jahren fällt einem einfach auf, wie sich Dinge in den vergangenen 80 Jahren verändert haben. Diesmal und hier, nicht zum Nachteil, nein, es ist schön so wie es jetzt ist und gerade in Pürgg, nicht übertrieben, keine übergroßen Grabstätten, keine Grabsteine die beweisen sollten wie reich man sein will und eventuell auch zeigen, wie wertvoll und teuer der Verstorbene war. In manchen Fällen wäre es besser gewesen, man hätte zu Lebzeiten eine andere Einstellung, ein anderes Verhältnis gepflegt.

Die Pfarre Pürgg ist groß und der Friedhof dementsprechend, in früherer Zeit, oft ein wenig zu klein und überfüllt. Jede Familie und jeder Bauer sowieso, hatte eine eigene Grabstätte. Grabsteine sind wohl üblich, aber es gibt viele schöne kunstvoll gestaltete Kreuze aus Schmiedeeisen, oder aber auch noch Kreuze aus Holz. Heute kann man beobachten, dass die meisten Gräber gepflegt und bestens betreut werden. Es gibt aber auch sehr viele bereits leere Grabflächen weil es einfach weniger Menschen im Pfarrbereich gibt und daher weniger Todesfälle, dazu kommen aber immer mehr die Urnengräber in Mode und viele Grabstätten werden aufgelassen, die Feuerbestattung ist damit allerorts mehr und mehr üblich. Allerdings die meisten vorhandenen Gräber werden bestens betreut und gepflegt. Immer wieder werden Blumen hingebracht oder gepflanzt und Kerzen anzünden gehört einfach dazu.

Vor 80 Jahren gab es auch schon schöne Gräber und Grabsteine

Und so war es nicht immer. Vor 80 Jahren gab es auch schon schöne Gräber und Grabsteine, die "Besseren", die sich`s Leisten konnten und auch jene, die in der Nähe gewohnt haben, konnten die Gräber auch öfter besuchen und mal das Unkraut, welches gewuchert hat, wegräumen, und rund um für einen sauberen Eindruck sorgen. Es gab damals sicher auch Kirchgeher, die von Wörschachwald oder Zlem am Sonntag beim Kirchgang auch zum Grab ihrer verstorbenen Angehörigen gegangen sind und dort Wiesenblumen oder Blumen aus dem Garten hingestellt haben.

Aber es gab auch andere, so wie wir, arm wie eine Kirchenmaus, wir sind das ganze Jahr nie zum Grab gekommen, wozu auch. Kerzen kaufen und da anzünden, wo wir oft für Zuhause nicht mal eine Kerze so einfach verbrennen lassen konnten. Blumen kaufen? Ja wo denn? Damals gab es kein Blumengeschäft und auch kein Geld dazu. Blumen nur dahinstellen und verwelken lassen, dass wäre ganz einfach ein "Frefel" gewesen! Wozu sollte der ganze Aufwand gut sein, kommt ja niemand hin und sieht daher niemand, waren die Argumente.

Und wie war das zu Allerheiligen und Allerseelen?

Nur zu Allerheiligen 1. November und Allerseelen 2. November, da war das ganz anders!

Schon mehr als eine Woche vorher wurde die Grabstätte erst einmal besichtigt, um zu sehen was den alles zu machen ist. Welches Werkzeug man da braucht und welche Materialien eventuell notwendig wären. Im Laufe der nächsten Tage sind wir mit allen notwendigen "Zeug" nach Pürgg gegangen und es wurde das Grab herausgeputzt. Da waren nicht wir allein im Friedhof tätig, an vielen Gräbern wurde gearbeitet und verschönert. Da lernte man Menschen kennen, die man sonst nie gesehen hat. Leute aus Niederstuttern oder Unterburg, aus Zlem. Ja es kamen da auch Leute aus anderen Gegenden, deren Verwandte eben hier begraben sind. So manches Holzkreuz war nicht mehr zu retten und wurde erneuert. Bei anderen wieder, wo im Laufe des vergangenen Jahres jemand begraben wurde, ist eine neue Grabstätte errichtet worden.

Inzwischen waren die Oma oder die Mutter damit beschäftigt, einen Kranz aus Tannenreisig zu binden. Aus einem weicheren, so um die 5 mm dicken Draht, wurde jedenfalls bei uns ein Reifen zusammen gedreht und darauf wurden die Tannenbüscherl mit einer Schnur festgebunden. Das schönste aber waren die selbst gemacht Rosen aus buntem Krepppapier, die wiederum fertigten die Töchter, also meine Schwestern an. Da gab es wahre Kunstwerke an Blumen und Rosen, es sah auch nicht schlecht aus. Der so geschmückte Kranz wurde am Allerheiligen-Tag, beim Kirchgang mitgenommen und vor der hl. Messe und vor dem Umzug im Friedhof, auf das Grabkreuz gehängt oder einfach auf das Grab gelegt. Unser Kranz hatte allerdings einige Nachteile. Beim Tragen, auf der Schulter hängend, wurde aus dem erst runden Kranz, ein eiförmiges "Etwas". Diesen Fehler konnte man mit etwas Geschick und ein paar Handgriffen wieder in Ordnung bringen, aber wenn es geregnet hat? Auf dem Marsch nach Pürgg sind aus den Papierblumen so unförmige "Tatschker" geworden und da konnte man nichts zurechtbiegen! Darüber hinaus gab es damals nur Papierschnüre, auch zum Kränze binden und Papier löst sich im Regen auch auf, mehr brauche ich dazu nicht mehr erklären. Eine Kerze oder ein Grablicht, wie sie heute zu tausenden üblich sind, dass gab es nicht und wenn, dazu wäre kein Geld da gewesen!

Sehr große Veränderungen im Laufe der Zeit

Ab 1945, gab es oder gibt es beim Kameradschaftsbund und da am meisten bei den Gebräuchen und Mitgliedern.

Ich kann es leider nicht sagen, ob der Kameradschaftsbund schon vor dem Zweiten Weltkrieg bestanden hat, anzunehmen ist es auf jeden Fall, denn mein Vater war ein begeistertes Mitglied und ein extra genauer Marschierer und Exerzierer, dies war eines seiner Leidenschaften. Als 50 %-iger Kriegsinvalide war er schwer gezeichnet und hatte den gesamten Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 an der Front mitgemacht und ist leider als Invalide abgerüstet.

Jedenfalls wurde der Verein gleich nach dem Krieg, entweder neu gegründet und alle "Heimkehrer" sind beigetreten. Am Allerheiligen-Tag war dann ihr großer Tag, ihr Auftritt! Die Musikkapelle war im Einsatz und am Kriegerdenkmal, welches schon aus dem ersten Krieg bestanden hat, wurde eine Gedenkfeier nach der hl. Messe gefeiert. Dazu gab es Ansprachen vom Obmann des Verbandes, das Lied "vom guten Kameraden" wurde von der Musik gespielt, drei Böllerschüsse vom Schützenmeister Partlitsch sen. am Burgstall abgefeuert. Der erste Flügelhornist hat den Zapfenstreich geblasen und – nicht nur - alle Frauen sind jedes Jahr erschrocken, wenn es gekracht hat. Dann kam die Prozession in Bewegung. Voran der Pfarrer, der die Gräber im Vorbeigehen segnete, dann die Musikkapelle und der Kameradschaftsbund, erst hinten nach die "Allgemeinheit". Bei den "Kameraden" wurde nach 1945 der Zug von Jahr zu Jahr länger, immer wieder sind Soldaten aus der Gefangenschaft nach Hause gekommen und daher wurden erfreulicherweise immer mehr Mitglieder. Und gerade da in diesen Bereich hat sich im Laufe der Jahre, sehr viel geändert!

Die Zahl der Kameraden hat sich allein durch die Todesfälle bei den oft kranken und eben älter werdenden Soldaten nach unten bewegt. Man hat zwar nach Einführung der Wehrpflicht in Österreich, die abgerüsteten Soldaten zur Mitgliedschaft erfolgreich eingegliedert, allerdings nicht alle sind der Einladung gefolgt und daher ist der Zug der "Veteranen" am Allerheiligen-Tag jetzt schon sehr bescheiden klein.

Nach dem Ableben vom Herrn Partlitsch hat sich das Böllerschießen aufgehört. Der Verband hat danach einen sogenannten "Dunnerer" angeschafft. Mit diesen Schießgerät hat der Rainer Franz viele Jahre bei den Begräbnissen verstorbener Kameraden sowie am Allerheiligen-Tag, drei Schüsse abgefeuert. Das hat zwar nicht so laut gekracht wie die Böller, aber zur Ehre der Soldaten hat es gereicht. Der Franz Rainer ist leider auch viel zu früh verstorben und seitdem gibt es keinen "Zapfenstreich" und keinen Schuss mehr, sondern nur mehr eine von der Musik umrahmte Helden-Gedenkfeier am Kriegerdenkmal. Die anschließende Prozession gibt es schon längere Zeit nicht mehr, der Herr Pfarrer schreitet alle Gräber ab und besprengt sie mit Weihwasser.

Auch der nächste Tag, der Allerseelen-Tag hat sich verändert.

Der Allerseelen-Tag war in unserer Jugendzeit ein Feiertag, der zumindest gleich viel wert war als alle anderen Feiertage, auch ein Feiertag für alle, nämlich ein "Armen-Seelen-Tag". Es wurde auch an diesem Tag die Kirche besucht und anschließend das Grab "kontrolliert" und wenn die schönen Krepppapier-Blumen nach einem Regenguss nicht mehr als Blumen erkennbar waren, dann wurden sie abgenommen und der nackte Kranz blieb noch eine Weile liegen oder hängen, bis er schließlich zu dem Loch in der Friedhofsmauer gebracht wurde, wo einfach aller "Unrat" hinuntergeworfen wurde. Heute sagt man dazu "Entsorgt"! Damit war für ein ganzes Jahr, die sprichwörtliche Ruhe am Friedhof, was unser Grab betraf, wieder eingekehrt.

Und was ist jetzt anders: Man kommt öfter in den schönen Friedhof und besucht das Familiengrab und zündet eine mitgebrachte Kerze an. Hin und wieder bringt ein Familienmitglied Blumen mit und die Sträucher werden gepflegt. Rundum im gesamten Friedhof ist es sauber und schön mit einigen Ausnahmen, wo niemand mehr da ist, der das Grab pflegen könnte. Immer mehr Grabstätten werden aufgelassen. Die Urnengräber werden mehr und mehr angenommen und so hat sich auch hier, manches verändert. Der berühmte "Gebeinen-Karner" unter der Kirche ist auch voll, allerdings, für Gäste und Besucher, immer wieder ein interessantes Detail vom schönen Pürgg.

Der Verfasser - Euer Stefan Berger, für alle "Wörschachwalder" noch immer der "Ebner Steff"! Liezen, am 26. Aug. 2022

Quelle


Erzählungen von Stefan Berger