Auszüge aus dem Leben einer Bergbauerntochter aus Pürgg
Auszüge aus dem Leben einer Bergbauerntochter aus Pürgg aus den Aufzeichnungen (privates Tagebuch) der Anna Gasteiner.
Wie kamen Menschen damals auf die Pürgg? – Schicksalhafte Wanderungen
"Meine Großmutter war eine Bauerntochter aus Neuhofen in Bad Mitterndorf, eine geb. Geweßler, vlg. Vasold. Ihr Vater, mein Urgroßvater, war ein weichender Bauernsohn. Er wurde Salz- und Weinführer und kam für die damalige Zeit schon weit in der Welt herum. Von Bad Aussee bis an die Grenze der Untersteiermark. In seinen jungen Jahren – in den 1840er-Jahren – ist er mit seinem Kumpel zu Fuß eine zweijährige Pilgerreise nach Bethlehem angetreten. Davon besitze ich durch Erbfolge heute noch ein leider schon behindertes Jesuskind aus Wachs mit Krippe und ein kleines Messingkreuz mit einer Reliquie im Kreuzesstamm […]
Meine Großmutter hat dann ins Sölktal geheiratet. [… Sie] hatte drei Kinder, Lena, Franziska (meine Mutter) und Josef. Leider ist Großvater früh verstorben, meine Mutter war gerade sieben Jahre alt. Meine Mutter, geborene Prüggler, hat im Jahr 1922 einen Schlein’schen, Michael Harreiter, aus Großsölk geheiratet, sie gebar ihm drei Kinder, Blasius, Leonhard und Aloisia. Leider war auch ihm kein langes Leben vergönnt, er starb an einem Herzleiden, das er sich im Ersten Weltkrieg geholt hat. Mutter hatte es dann sehr schwer, einige Jahre durchzukämpfen, die Jüngste war gerade sechs Wochen alt, als Vater 1927 starb.
Auf der Pürgg
Im Jahre 1930 heiratete sie ein zweites Mal, meinen Vater, der auch schon mit dreißig Jahren Witwer war. So kamen meine Mutter, meine Halbgeschwister, meine Großmutter mit ihrem zweiten Mann und eine Cousine, die auch keinen Vater mehr hatte, zum Willspergerhof nach Pürgg 38. Im Jahr 1931 kam ich auf die Welt, im Jahre 1932 mein Bruder Sepp, er wurde leider nur sechs Wochen alt. Und mein Bruder Franz, 1933 geboren, starb leider mit 33 Jahren an Gehirnhautentzündung in Deutschland.
Auf unserem kleinen Bergbauernhof in Pürgg hatte es Mutter sehr schwer, es waren da drei alte Leute, sechs Kinder und mindestens drei Erwachsene am Hof, die die Arbeit machten. Alles, was man zum Leben brauchte, mußte aus dem Hof herausgearbeitet werden, da gab es außer Salz und Zucker nichts zu kaufen. Und in den Kriegsjahren und Jahre danach mußte noch Fleisch und Getreide abgeliefert werden.
Meine Mutter hat in jungen Jahren sehr gerne geschnitzt und gezeichnet und gemalt. Mit 17 Jahren schnitzte sie mir mit dem Taschenfeitel Krippenfiguren, die ich heute noch jedes Jahr zu Weihnachten in den Herrgottswinkel stelle […] Für meinen Vater gab es auch ein Hobby. Er war neben Bauer sein auch gerne Viehhändler. Im Herbst, wenn das Vieh von der Alm abgetrieben wurde, da kam er in die entlegensten Täler und Höfe. Ochsen-Einkaufen für die Oberösterreicher-Viehhändler war dann seine Lieblingsarbeit. Die Tiere wurden aber nicht geführt, sondern von überall hergetrieben. Dann lernte er ihnen das Ziehen, das war harte Arbeit, und dann verkaufte er sie wieder weiter. Am Hof selbst fehlte da oft seine Kraft, da er viel unterwegs war. Für Mutter und uns Kinder war dies oft schwer.
Es gab auf unserm Hof keinen Strom, im Haus wurden Petroleum-Lampen angezündet, im Stall die Sturm-Laterne. Der Hofzufahrtsweg war denkbar schlecht, auch hatten wir sehr mit Wasserknappheit zu kämpfen. Die Gärten, es waren drei, waren Mutters großer Stolz. Es war immer etwas drinnen, so konnten wir Kinder uns auch zwischendurch Erdbeeren, Gurken oder Kohlrabi holen. Im Herbst gab es dann auch Äpfel, Birnen und Zwetschgen.
Die Arbeit war schwer aber abwechslungsreich. Im Winter wurde Schafwolle und Flachs gesponnen und verarbeitet. Im Februar, wenn es das Wetter zuließ, wurde Brennholz gemacht, alles händisch. Im März-April wurde der Mist ausgeführt und die Erde aufgeführt, das ging mit Ochsen- oder Pferdegespann und einer Umlenkrolle vor sich. Jahre später gab es dann schon die Seilwinde. Dann wurden die Zäune repariert, als nächstes wurden alle Getreidearten, Korn, Weizen, Gerste, Hafer, auch Flachs und Pferdebohnen, angebaut. Große Kartoffeläcker und Rübenfelder (Burgunder, Tuschen, Kraut und Zuckerrüben gab es auf jedem Hof). Im Mai wurden die Pflanzen ausgesetzt. Im Juni bis zum Peterstag (29. Juni) mußte alles durchgeputzt und die Kartoffel auch schon angehäufelt sein. Wer bis zum Peterstag das zweimähdige Futter auch noch unter Dach hatte, der durfte sich freuen, denn an diesem Tag war das Almgehen angesagt, auch am Jakobs- und St. Anna-Tag (25./26. Juli), doch da mußte auch das einmähdige Futter in der Tenne oder im Stall sein.
Nun kam die Getreide-Ernte, die war sehr arbeitsaufwendig, dann das Krumet-Heuen, die Obst-, Kartoffel- und Rübenernte, dazu wurden auch Mieten gemacht, um die Rüben frisch zu halten. Das Vieh kam von den Almen heim, da mußten wir Kinder hüten, – bis dann der elektrische Halterbub kam. Im Spätherbst und Winter ging’s ans Dreschen mit den Dreschflegeln, im Zweier- oder Vierertakt, später dann kamen die kleinen Dreschmaschinen.
Sehr interessant zu erwähnen wäre, dass meine Mutter Franziska Egger (und nicht nur sie!) während des zweiten Weltkrieges folgendermaßen verschiedene "Sachen" unterschreiben musste: Franziska Egger, geborene Prüggler, verwitwete Harreiter.
Der Grund war, dass das "Nazi-Regime" feststellen konnte, ob sich darunter eventuell ein jüdischer Name befindet.
Man schrieb das Jahr 1945. Der Krieg war Gott sei Dank zu Ende, doch die Nachkriegszeit war für uns alle fast noch ärger. Man bekam kaum etwas zu kaufen […] Die Not sprach aus allen Ecken und Enden. Das Kartensystem hielt noch bis zum Jahre 1947 an, und auch die Ablieferungspflicht. Die vielen durchziehenden Heimkehrer waren ein großes Problem. Mutter konnte ihnen oft nur Erdäpfel oder eine Tuschensoße geben. Im Frühsommer [1945] bekam die Mutter Gelbsucht, und so mußte sie sechs Wochen das Bett hüten. In dieser Zeit lernte ich viel für mein Leben. Ich mußte mit 14 Jahren selbständig Brot backen, kochen, waschen, im Stall arbeiten, Ferkel schneiden, da wir gerade eine Muttersau hatten, einfach alle Arbeiten verrichten. War sehr froh, daß sie zuhause bleiben konnte, so konnte ich immer wieder fragen gehen zu ihr. Schon ab sechs Jahren durfte ich in den Sommerferien bei der Sennerin auf der Alm sein, dabei hab ich schon viel gelernt, das mir dann, als ich mit 15 Jahren selbst Sennerin wurde, sehr zum Vorteil war.
Im Jahre 1946 hatte mein Vater in der Gnanitz, Gemeinde Tauplitz, ein Almrecht vom Thomahof gepachtet. Um sie zu erreichen, brauchte man drei Gehstunden. Als Pachtzins wurde ausgemacht: Auf 10 Pferde und 18 Stück Jungvieh zu schauen, das hieß, sie bis zum Almabtrieb zu betreuen. Dazu kamen dann von unserem Betrieb acht Kühe, einige Kälber und drei Schweine. Es gab genug Arbeit mit Butter-, Käse- und Schottenmachen, auch ,Gleckschneiden‘ in die ,Schluchten‘ mußte ich gehen. Es war dies mein erster Almsommer (15 Jahre jung), und ich habe die aufgetragene Arbeit zur vollsten Zufriedenheit aller geschafft.
Im folgenden Jahr 1947 kam ich dann auf die ’Leisten-Alm’ (Gemeinde Stainach). Neun Sommer verbrachte ich dort. Die Schwester [Aloisia – "Loisl" - Harreiter, in jungen Jahren Sennerin im Diebold-Lehen] trat, als sie erwachsen war, ins Kloster der Kreuz-Schwestern ein und nahm den Namen ,Fidelis‘ an. Sie wurde in Graz als Krankenschwester ausgebildet, arbeitete dann in Graz, Bruck an der Mur und Bad Aussee, bevor sie sich zum Missionsdienst meldete. Sie ist/war seit 1952 in Indien tätig und am 20. Sept. 2012 verstorben und in Indien (Hazaribagh – Bundesstaat Jharkhand, früher Bihar) begraben. Ich hatte gehofft, unsern Bergbauernhof in Pürgg einem jungen, starken Mann zu geben, doch dieser Wunsch ging bald zu Brüche".
Quellen
- Anna Gasteiner, zur Verfügung gestellt von Hermann Harreiter
- Fritz Fahringer: Chronik des Willsperger Hofes, 1945/46, mschr. – Zur allgemeinen Situation vgl. neuerdings Elke Hammer-Luza, Von Mägden und Knechten. Ländliches Dienstbotenwesen in der Steiermark des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Zs. hist. Ver. 192, 2011, S. 131–173.
- Chronik Pürgg-Trautenfels – 2013 – Seiten 686 bis 689
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