Harold Hartley
Sir Harold Brewer Hartley (* 3. September 1878 in London, England; † 9. September 1972) war ein britischer Physikochemiker. Er wechselte von der akademischen Welt in die Wirtschaft und Industrie, unter anderem als Vorsitzender der British Overseas Airways Corporation (BOAC).
Leben
In der Kulturzeitschrift Da schau her 2024 Ausgabe 4 des Vereins Schloss Trautenfels ist ein Beitrag Konrad Mautner und seinem englischen Freund - Harold Hartley - zum 100. Todesjahr des Volkstumsforschers Konrad Mautner (* 1880; † 1924) gewidmet.
Im August 1904 begegneten sich Konrad Mautner und Harold Hartley beim Vorderen Lahngangsee im Toten Gebirge. Hartley saß am Ufer des Sees und angelte, was Mautner verwunderte. Darauf angesprochen erklärte Hartley, dass er den Spuren seines berühmten englischen Kollegen, des Chemikers Humphry Davy (* 1778; † 1829) folgt, der sich bereits 1828 ausführlich mit der Fischerei im Allgemeinen und mit dem Saibling im Besonderen beschäftigt hatte. Und Davy hatte notiert, dass der Vordere Lahngangsee ein außergewöhnliches Fischgewässer sei.
Im Laufe des Gespräche stellte sich heraus, dass Hartley 1897 in Oxford ein Studium in Chemie und Mineralogie begonnen hatte, das er 1900 mit Bestnoten abschloss. Er erhielt einen Lehrauftrag im College. In den Sommersemestern 1898 und 1899 setzte er sein Studium in München in Bayern fort, wo er fließend Deutsch lernte. Nun war Hartley in das Ausseerland auf Urlaub gekommen und wohnte im Hotel Schraml am Grundlsee. Das Hotel Schraml war seinerzeit eine noble Adresse. Auch Kaiserin Elisabeth von Österreich hatte hier zweimal übernachtet und der Vater von Harold Hartley war ebenfalls schon 1902 mit seiner Frau in diesem Hotel abgestiegen.
Hartley und Mautner freundete sich an, die jüngste Schwester von Konrad Mautner, Marie (* 1886; † 1972), brachte Hartley die ersten Volkstanzschritte bei. Hartley begeisterte sich für die Bräuche und Tracht im Ausseerland. Als er 1906, frisch verheiratet mit Getrude, geborene Smith, und deren Schwester Molly, im Sommer wieder nach Gössl kam, waren alle drei in Ausseer Tracht gekleidet, wie ein Bild im oben erwähnten Beitrag in "Da schau her" zeigt.
Harold Hartley muss seit seiner ersten Begegnung im Sommer 1904 sowohl bei Konrad als auch bei dessen drei Jahre älteren Bruder Stephan einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. Nur so ist es erklärbar, mit welchem Aufwand die Brüder für das junge Paar 1906 zur Begrüß8ng eine kunstvoll und detailfreudig gestaltete Urkunde verfertigten (siehe Bild). Der Text lautet:
To Mr. and Mrs. Harold Hartley
Endgefertigte Gemeindevertretungen der Ortschaften Goeßl, bei den Wienern und Gaiswinkel vereinigen sich in dem Wunsche, daß Ew. Hochwohlgeboren die Stelle eines erblichen Praesidenten einer neu zu gruendenden reichsunmittelbaren Republik Goessl allergnädigst anzunehmen geruhen wollen.
Mit Hochachtung
Der Ausschuß:
Es folgen 28 Unterschriften, darunter ganz am Schluss "Conrad, k.u.k. und k.k." Bemerkenswert an dieser natürlich nicht ernst gemeinten Urkunde, sind zwei Dinge: Die beachtliche Zahl an Unterschriften, da es in Gössl damals lediglich 18 Wohnhäuser gab, und bemerkenswert ist auch, dass sich so viele Frauennamen auf der Urkunde finden. Damals war das Unterschreiben von Urkunden reine Männersache.
In den folgenden Sommern kam das Ehepaar Hartley immer wieder an den Grundlsee. Mit dem Ersten Weltkrieg endeten die Besuche und es ist unklar, ob Hartley später nochmals ins Ausseerland zurückkehrte. Überliefert ist allerdings eine Begegnung mit Konrad Mautners Neffen Franz Breuer um das Jahr 1934. Breuer hatte gerade sein Studium der Chemie abgeschlossen und war auf Urlaub in Gössl. Die Tochter von Franz Breuer, Elizabeth, berichtet, dass ihr Vater so wie vor 30 Jahren sein Onkel Konrad, am Vorderen Lahngangsee dem angelnden Harold Hartley begegnet war. Es entspann sich ein enger Kontakt zwischen Hartley und seinem jungen Kollege Breuer, der für Breuer 1938 lebenswichtig werden sollte.
1928 war Harold Bratley in den Adelsstand erhoben worden.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich war Franz Breuer, der in Wien lebte, sofort Erniedrigungen ausgesetzt, da er Jude war. Mit Hilfe von Hartley konnte er nach England flüchten. Hartley verschaffte Breuer auch eine Arbeit. Wie sich erst viel später herausstellte, hatte Hartley diese Stelle aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Er konnte dann noch weitere Familienmitglieder Breuers nach England bringen. Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs kümmerte sich Hartley weiter um die geflohenen Familienmitglieder Breuers und Mautner.
Nach dem Krieg war Sir Hartley bis 1949 Vorstand der 1939 gegründeten Fluggesellschaft British Overseas Airways Cooperation (BOAC). Ab 1944 tauchten dann aber die ersten Anzeichen einer unheilbaren Arthritis bei Hartley auf. Gefesselt an den Rollstuhl und in den letzten Jahren kaum sein Bett verlassen könnend, starb Sir Hartley wenige Tage vor seinem 94. Geburtstag.
Quelle
- Da schau her 2024 Ausgabe 4, Seite 5ff