Flachsanbau im Ennstal

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Flachs oder Lein, eine der ältesten Kulturpflanzen, hatte über Jahrhunderte eine starke Verbreitung in den Alpenregionen Österreichs und auch im Ennstal.

Einleitung

Im 19. Jahrhundert wurde durch die Einführung der Baumwollfaser und deren maschinelle Verarbeitung der heimische Flachs schließlich sukzessive zurückgedrängt. In einzelnen Regionen Österreichs, so auch im Ennstal, wurde der Faserflachs bis Anfang der 1950er Jahre von den Landwirtschaftsbetrieben angebaut. Mit einer besseren Versorgung der Bevölkerung mit Waren aller Art, einem Vordringen von textilen Kunstfasern und der Abwanderung von Arbeitskräften in die Industrie verschwand der Faserflachs von den Feldern. Erst auf der Suche nach Alternativkulturen Mitte der 1980er Jahre wurde der Faserflachs in Österreich wiederentdeckt.

Ursprung und Bedeutung einer Kulturpflanze

Der Beginn der Flachskultur liegt bei den Ägyptern und anderen hochentwickelten Kulturvölkern (5 000 - 4 000 v. Chr.). In Europa schätzt man die ältesten Funde eines Flachsanbaues auf das 3. Jahrtausend v. Chr. Bei den alten Griechen und Römern war Faserflachs zur Herstellung von Geweben beliebt. Durch das Vordringen der Leinenkultur nach Norden gewann der Flachsanbau auch in Mitteleuropa große Bedeutung. Hier erlebte der Faserflachsanbau seine Blüte im Mittelalter. Leinen war hier ein beliebtes Handelsprodukt. Mit Verarbeitung und Vermarktung dieser Kulturpflanze entwickelte sich eine blühende deutsche Leinenindustrie.

Durch den verstärkten Anbau von weniger arbeitsintensiven Kulturpflanzen, verlor der Faserflachsanbau gerade in Westeuropa sukzessive an Bedeutung. Besonders durch die Einführung der Baumwollfaser und deren - mittlerweile - maschinelle Verarbeitung im 19. Jahrhundert wurde der Faserflachsanbau in Europa stark zurückgedrängt.

Währen der Kriegszeiten des 20. Jahrhunderts war wieder ein deutliches Ansteigen der Anbaufläche zu verzeichnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch schien der Faserflachs durch die Zunahme der textilen Kunstfasern völlig bedeutungslos geworden zu sein.

Entwicklung in Österreich und im Ennstal

In Österreich wurde der Faserflachs bevorzugt in gebirgigem Produktionsgebiet im Westen angebaut.

Oftmals erfolgte der Anbau im steilen Gelände, auch bis zu einer Seehöhe von 1 600 m ü. A. in swiki:Tirol, in der Steiermark bis zu 1 200 m ü. A. Auch im Ennstal hatte der Faserflachs Bedeutung, der Anbau erfolgte allerdings auf kleinen Flächen zur Selbstversorgung. Der Flächenanteil betrug dabei höchstens 0,5 bis 1 % der gesamten Ackerfläche pro Betrieb; im Extremfall wurden nur ein paar Quadratmeter mit Flachs bebaut, welche in den Flächenaufzeichnungen gar keinen Niederschlag fanden.

Eine Bodennutzungserhebung aus dem Jahr 1939 weist für den heutigen Bezirk Liezen - ohne Ausseerland - folgende Flächen für Flachs aus: Schladming 4,60 ha (u. a. Ramsau 1,84 ha, Rohrmoos 0,81 ha, Untertal 0,06 ha, Pichl 0,15 ha), Gröbming 1,27 ha, Irdning 1,53 ha, Liezen 0,5 ha, Rottenmann 0,55 ha, St. Gallen 0,2 ha. In Summe waren das 8,65 ha Flachs.

Damit zeigt sich die stärkste Verbreitung von Flachs im Gebiet um Schladming, innerhalb jener Gemeinden eindeutig auf der Ramsau. Diese Flächenangaben spiegeln nicht das wahre Bild der damaligen Verbreitung des Flachses wider, denn laut Aussagen von einigen Bauern wurde 1939, aber auch zwischen 1945 und 1950, von fast jedem bäuerlichen Betrieb im Ennstal Flachs angebaut. Aus der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg liegen keine Bodennutzungserhebungen vor, aus denen exaktere Flächenangaben hervorgehen.

Eine weitere Erhebung aus dem Jahr 1955 weist für den gesamten Bezirk Liezen eine Flachsfläche von 1,12 ha aus, woraus deutlich der starke Rückgang dieser Kulturart zu erkennen ist.

Traditioneller Flachsanbau und Flachsverarbeitung

Der Flachs erforderte von der Saat bis zur Ernte und in Folge bei der Verarbeitung viel händische Arbeit. Die Saat wurde meist vom Bauern selbst vorgenommen, wobei aus Qualitätsgründen auf die richtige Saatstärke zu achten war. Meist erfolgte die Saat erst im Mai, wenn mit Spätfrost nicht mehr zu rechnen war.

Ein möglichst unkrautfreier Bestand war wichtig, da das Jäten bei einer Pflanzenhöhe von ca. 20 cm viel Zeit erforderte und eine langwierige, mühsame Arbeit war. Außerdem bestand die Gefahr, viele Pflanzen zu zertreten, zu knicken oder abzubrechen, was die Qualität des Flachses minderte. Ab der zwei bis drei Wochen dauernden Blüte, bei der sich die Flachsfelder in hellblaue Blütenmeere verwandelten, brauchte der Flachs bis zur Ernte keine weitere Pflege. Zur Zeit der Samenreife wurde der Flachs geerntet, gerauft, also mit den Wurzeln aus der Erde gerissen. Vor den weiteren Arbeitsgängen erfolgte die Trocknung, im Ennstal auf Hiefeln, ähnlich wie bei den Getreidegarben.

Zu Hause wurden die Samenkapseln mit dem Riffel (Kamm) vom Flachsstengel getrennt, die Samenkapseln mit gewöhnlichen Dreschflegeln ausgedroschen und das Flachsstroh zum Bleichen auf ein Feld gelegt. Bei diesem Vorgang sollen durch den Wechsel von Sonne, Tau und Regen die leimartigen Stoffe, welche die feinen Bastfasern mit den Holzteilen des Flachsstrohs verbinden, soweit aufgelöst werden, dass sie sich beim Reiben lösen. Die weiteren Verarbeitungsvorgänge waren das Dörren - die Flachsstengel sollten spröde werden damit die Holzteilchen beim nachfolgenden Brecheln, also beim Abschlagen, leicht absprangen. Diese Arbeit wurde in den sogenannten Brechelstuben durchgeführt, in eigens dafür errichteten Hütten.

Nach dem Brecheln erhielt man die gewünschten Flachsfasern, wobei noch durch das Hecheln die Kurzfaser, das sogenannte Werg, von der Langfaser, dem Haar, getrennt wurde. In den Wintermonaten wurde von Bäuerin, Töchtern und Mägden der gesamte Flachs auf dem Hof versponnen, danach durch den Störweber, der von Hof zu Hof zog, verwoben. In weiterer Folge entstand durch die Störschneider und Störnäherinnen - oftmals auch selbst angefertigt - ein Großteil der damaligen Kleidung. Auch Bett- und Tischwäsche wurde aus eigenem Garn und Gewebe hergestellt.

Faserflachsanbau heute

Heute ist es möglich, Faserflachs großflächig maschinell anzubauen, zu bearbeiten und zu ernten. Auch der weitere Weg der Verarbeitung der Faser erfordert keine Handarbeit mehr.

Im Wandel der landwirtschaftlichen Kulturpflanze Faserflachs seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute hat sich die einst handarbeitsintensive Pflanze am Ende des 20. Jahrhunderts zu einer Kulturart entwickelt, die zwar völlig mechanisiert ist, vom Betriebsleiter aber viel Wissen, Können und eine hohe Risikobereitschaft verlangt.

Aktuelle Verwertungsmöglichkeiten von Flachs

Die Verarbeitung der Langfaser erfolgt in der Spinnerei zu hochwertigem Garn für die Textilindustrie. Die Kurzfaser wird größtenteils in anderen Industriezweigen, wie der Teppich- und Tapetenerzeugung, Papier- und Möbelindustrie, verwendet. Die abfallenden Holzteilchen, die Schäben, können zu Platten gepresst werden, als Heizmaterial oder als Einstreu dienen. Leinsamen werden je nach Qualität einer weiteren Verwertung zugeführt: als Saatgut, in der Lebensmittelindustrie oder als Futtermittel.

Wiedereinführung des Flachses im Ennstal

Die Frage, ob der Flachs im Ennstal wieder einmal heimisch wird, lässt sich nicht klar beantworten. Nachdem die Kulturpflanze in dieser Region Tradition hat, wären vom pflanzenbaulichen Standpunkt aus keine Schwierigkeiten zu erwarten. Größere Probleme könnten sich lediglich durch die Niederschlagsmengen ergeben. Die Tatsache, dass die Nutzung im Ennstal aufgrund der Gegebenheiten auf Grünland ausgerichtet ist, spricht jedoch eher gegen eine Wiedereinführung der Ackerkultur Flachs.

Quelle

  • Da Schau Her. Beiträge aus dem Kulturleben des Bezirkes Liezen, 11. Jahrgang. Nr. 3, Juli 1990