Otto Margulies

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Grabstein von Otto Margulies auf dem Bergsteigerfriedhof Johnsbach.

Otto Margulies (* 24. Mai 1899 in Wien; † 29. Juni 1925 in der Hochtor-Nordwand in den Ennstaler Alpen, Steiermark, verunglückt) war ein österreichischer Alpininst.

Leben

Er kam als Sohn des Privatbeamten Ulrich Margulies (* 27. Dezember 1858 in Skałat, Ukraine; † 14. April 1918 in Wien) und der Rosa Margulies zur Welt. Schon im Kindesalter förderte die Mutter Otto in sportlichen Richtung. Bereits ab seinem 13. Lebensjahr unternahm er schwierigere Bergfahrten. 1917 maturierte er vorzeitig am Elisabeth-Gymnasium in Wien 5 ab und rückte als Kriegsfreiwilliger zur Gebirgsartillerie in Payerbach ein. Noch im Oktober stürzte er während einer Tour auf der Rax vom Wiener Neustädter Steig ab und zog sich eine schwere Beinverletzung zu. Aufgrund eines Behandlungsfehlers musste später das Bein amputiert werden.

1919 bis 1923 belegte Margulies an der Universität Wien Lehrveranstaltungen aus Chemie, Germanistik, Psychologie, Pädagogik und Philosophie. Während seiner Studienzeit trat er der Studentenverbindung Constantia bei. Daneben arbeitete er als Bankbeamter bei der Oesterreichischen Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe. Durch unermüdliches Training gewann Margulies rasch seine sportlichen Fertigkeiten zurück. Angepasst an seine Möglichkeiten als Prothesenträger entwickelte er eigene Techniken zur Bewältigung alpinen Geländes und konnte auch wieder Skifahren. Als Schwimmer und Kunstspringer war er Mitglied beim Schwimmklub Austria und er übte auch den Fechtsport aus.

1920 wurde er Mitglied der Sektion Bayerland des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins (DÖAV). Der als Reaktion auf die antisemitische Ausrichtung des DÖAV gegründeten Sektion Donauland schloss er sich dann 1921 an. In diesem Verein wurde er Ausschussmitglied und 2. Schriftführer. Darüber hinaus war er bei der "Alpinistengilde" der Naturfreunden.

Trotz seiner Behinderung erbrachte Margulies beachtliche alpinistische Leistungen. Seine Bergfahrten führten ihn u. a. in die Silvrettagruppe (Dreiländerspitze), in die Verwallgruppe (Seekopf), in die swiki:Goldberggruppe[1] (Sonnblick) sowie in die Montblanc-Gruppe (Dent du Géant, Pointe Helbronner, Grand Flambeau).

Erstbesteigungen gelangen ihm mit der Totenköpfl-Südostwand im Gesäuse (1920), der Sommerstein-Nordwand in den swiki:Berchtesgadener Alpen (1920) und dem Hohenwartkopf-Südgrat in der swiki:Glocknergruppe (1924). Als Alleingeher oder Führender erreichte er mehr als dreißig Gipfel über 3 000 Meter Höhe. Aufgrund seiner körperlichen Einschränkung wählte er hauptsächlich Kletterrouten.

Zu seinen Bergbegleitern gehörten u. a. Karl Hanns Richter und Hans Eitelberger.

Margulies verfasste auch Tourenberichten, die durch die schonungslose Darstellung seines Kampfes gegen sein physisches Handicap beeindrucken.

Aufgrund seinen Bemühungen, insbesondere die Gruppe der Kriegsinvaliden zu alpinsportlicher Betätigung zu ermutigen, kann man Margulies heute als Pionier des Behindertensports betrachten.

Ende Juni 1925 fand er zusammen mit drei Bergkameraden, Ernst Glattau, Hans Spiegler und Franz Wegscheider, auf der Jahn-Zimmer-Route der Hochtor-Nordwand bei einem plötzlichen Wettersturz den Tod. Er liegt im Bergsteigerfriedhof Johnsbach begraben.

Publikationen

Nebelfahrten im Cromertal, in: Nachrichten der Sektion "Donauland" des DÖAV, 1922, Nr. 16;
Über die Möglichkeiten des invaliden Bergsteigers, ebd., 1923, Nr. 21;
Über die Möglichkeiten des invaliden Bergsteigers II., ebd., 1923, Nr. 25;
Aiguille du Géant, ebd., 1923, Nr. 27;
Vom Sommerstein zur swiki:Schönfeldspitze, ebd., 1924, Nr. 35;
Hohenwartkopf-Südgrat, ebd., 1924, Nr. 39;
Sonnblick, in: "Donauland-Nachrichten". Zeitschrift des Alpenvereins "Donauland", 1925, Nr. 47;
Über den Stüdlgrat, ebd., 1925, Nr. 49;
Besinnliche Fahrten. Ein Buch der Erinnerung, 1925; etc.

Literatur

XXXII. Jahresbericht über das k. k. Elisabeth-Gymnasium in Wien für das Schuljahr 1916/17, 1917;
Das Unglück im Gesäuse, in: "Der Naturfreund", 29, 1925, S. 128f.;
Die Katastrophe in der Hochtor-Nordwand, in: "Donauland-Nachrichten". Zeitschrift des Alpenvereins Donauland, 1925, S. 137–139;
Die Unglücksfälle im Gesäuse, in: Österreichische Touristen-Zeitung 45, 1925, S. 126f.;
Rudolf Hamburger: Bericht über das Unglück im Gesäuse, in: Mitteilungen des DÖAV, NF 41, 1925, S. 177;
Eduard Pichl: Wiens Bergsteigertum, 1927, S. 131–133;
Pfade zur Höhe. Zehnjahrbuch der Alpinistengilde, geleitet v. F. Kolb, 1930, S. 101;
Rainer Amstädter: Der Alpinismus, 1996, S. 282f.;
Ignaz Hermann Körner: Lexikon jüdischer Sportler in Wien, 1900–1938, ed. M. G. Patka, 2008;
"Hast du meine Alpen gesehen?" Eine jüdische Beziehungsgeschichte, ed. H. Loewy – G. Milchram, Hohenems 2009, s. Reg. (Kat.); UA, Wien.

Quellen

→ ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 26, 1973), S. 85

Fußnote

  1. Verlinkung(en) mit "swiki:" beginnend führen zu Artikeln im Salzburgwiki, dem Mutterwiki des EnnstalWiki