Kirchenglocken, die nicht der Kirche gehörten

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Der Artikel Kirchenglocken, die nicht der Kirche gehörten berichtet von seltsamen Besitzverhältnissen von drei Glocken der katholischen Stadtpfarrkirche Schladming.

Die Geschichte

Es ist eine allgemein gültige Annahme, dass Glocken, die im Turm einer Kirche hängen, zum rechtmäßigen Inventar der Pfarre gehören. In Schladming war dies aber einmal nicht so, denn da hatte die "katholische Pfarrgemeinde" das Entscheidungsrecht, wann und für wen geläutet werden sollte. Wie es dazu kam, erfahren wir in einer "Urkunde über das Eigenthum der drey größeren Thurmglocken, in der Pfarrkirche zu Schladming" vom 31. Dezember 1827.

Dieses, im Grazer Diözesanarchiv verwahrte Schriftstück, das vom Vogteiverwalter Franz Xaver Sprung, vom Pfarrer Karl Rieger und von den Kirchenpröbsten Johann Höpflinger und Peter Rantner unterschrieben ist, hat folgenden Wortlaut:

"Auf Ansuchen der katholischen Pfarrsgemeinde zu Schladming wird hirmit zu jedermanns Wissenschaft und zum künftigen Nachverhalte Beurkundet, das nach der großen Feuersbrunst zu Schladming am 8. July 1814, wo auch leider die samentlichen Glocken auf den Kirchthurm der Pfarrkirche zu Schladming ein Raub der Flammen wurden. Wegen der Unvermögenheit der Kirche aus den eigenen Mitteln der Katholischen Pfarrinsassen der Pfarr Schladmingdrey metallerne Thurmglocken nämlich die drey großen Glocken welche sich gegenwärtig in den Kirchthurm befinden und welche von den Herrn swiki:Franz Xaver Gugg[1], Kunst- und Glockengießer in der Stadt Salzburg in den Jahren 1818 und 1827 verfertiget worden sind, um einen gesamt Betrag von 1639 Gulden 16 2/4. Kreuzer in klingender Conventionsmünze angeschaffet und alle diese drey Glocken auch auf alleinige Kosten der katholischen Pfarrsgemeinde Schladming herbey geführet, aufgezogen, eingehangen und eben so auch die beträchtlichen Unkosten auf Glockengerüste, Schmit-Seiler-Arbeit und d.gl. bestritten worden seyn, jedoch mit den ausdrücklichen Vorbehalten, daß diese drey Glocken für jetzt,und alle nachfolgenden Zeiten, so lange diese Glocken existieren, das ein ausschlüßliches freues Eigenthum der katholischen Pfarrsgemeinde Schladming und nur zu ihrem Gebrauch gewidmet erklärt werden, und zwar mit dem Beysatze, daß diese Glocken zwar ohne allen Anstand zu allen katholischen Gottesdienstlichen Verrichtungen gebraucht werden können, daß jedoch bey Begräbnißen der in den katholischen Pfarrbezirke Schladming verstorbenen Katholiken für das Geläute zu keiner Zeit eine Gebühr gefordert und abgenommen werden darf, und in der Kirchen Inventar an den Orte, wo diese drey Glocken eingetragen werden, ausdrücklich die Bemerkung beygefüget werden, daß diese drey Glocken kein Eigenthum der Kirche, sondern nur ein ausschlüßliches Eigenthum der Gemeinde Schladriling seyen, und stets als solches angesehen und behandelt werden sollen.

Da jedoch die nachbenannten protestantischen Glaubensgenossen nämlich der Anton Daumlechner vulgo Hofbauerin Rormos, die Ursula Stocker vulgo Pazin in Rormos, der Mathias Schneberger vulgo Starchl in Rormos und Johann Wieser vulgo Scharl auf der Ramsau die Einzigen waren welche der, durch die verheerende Feuersbrunst so hart bedrängten katholischen Pfarrsgemeinde zur Anschaffung dieser drey Glocken einen freuwilligen Beytrag leisteten, so hat sich die Katholische Pfarrsgemeinde erklärt, daß es auch nicht den geringsten Anstand unterIiegen solle, und könne, dass nach Hinscheiden der Obernannten Wohltäter das vollständige Glockengeläute, sowie bey den Katholiken und zwar unentgeltlich,jedoch ohne Folge für die übrigen protestantischen Glaubensgenossen angewändet werden könne.

Daß dem so, und nicht anders seye, wird durch die dreyfache Ausfertigung der Gegenwärtigen mit den Unterschriften der Kirchenvorstehung versehenen Urkunde bestättiget.

Kirchenvorstehung zu Schladming, den 31.ten Dezember 1827.
Franz Xaver Sprung
Vogtey-Verwalter
Karl Rieger, Pfarrer
Johann Höpflinger, Kirchenprobst
Peter Rantner, Kirchenprobst"

Quelle

Einzelnachweis

  1. Verlinkung(en) mit "swiki:" beginnend führen zu Artikeln im Salzburgwiki, dem Mutterwiki des EnnstalWiki