Besteigung des Hohen Dachsteins 1823

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Die Besteigung des Hohen Dachsteins 1823 schildert eine weitere vermeintliche "Besteigung des Hohen Dachsteins am 5. August 1823 aus einer historischen Quelle. Tatsächlich wurde der Torstein zum zweiten Mal bezwungen.

Einleitung

Bis in die 2000er-Jahren wurde angenommen, dass die Erstbesteigung des Hohen Dachsteins durch die Brüder Adam und Peter Gappmayr aus swiki:Filzmoos und Peter Karl Thurwieser am 18. Juli 1834 erfolgte. Doch die Erstbesteigung fand bereits im August 1819 statt. So, jedenfalls, glaubte man lange Zeit.

Die erste Besteigung des Dach- oder Thorsteins am 5. August 1823

Jacob Buchsteiner vulgo Schladminger Jackl und Georg Kalkschmied aus der Ramsau erstiegen auf Veranlassung des k.k. Herrn Lieutenant Mikitsch vom Peterwardeiner Gränz-Regiment und Triangulateur der Catastral-Vermessung in Steyermark im August 1823 den vermeintlichen Hohen Dachstein, der sich später jedoch als der Torstein herausstellte. Nachstehender Bericht ist in der Quelle zwar nicht unterschrieben, aber der Inhalt lässt schließen, dass er von Leutnant Mikitsch verfasst worden war:

Die Leute dieser Gegend waren während meines ganzen dortigen Aufenthalts zur Erfüllung eines jeden meiner Wünsche, in so weit es in ihren Kräften lag, sehr willig (mag dieses nun in der ihre Bereitwilligkeit erzeugenden von mir nie außer Acht gelassenen Behandlungsart, oder bloß in ihrer Gewohnheit, zum pünktlichen Befolg aller Anordnungen gelegen seyn, ist gleich viel, das Lob gehört nur immer ihnen) und es kam auch Kalkschmied, noch am nähmlichen Tage zu mir, mit welchem verabredet wurde, daß er gleich Montags in der am Fuße des Eisgebirges befindlichen Neustadtalpe mit Buchsteiner zusammen treffe, allwo sie auf ein für diesen gefahrvollen Weg, günstiges Wetter zu waren müssen.

Diese beyden waren also am 4. August Nachmittag abgegangen, und am 5. früh, kündigte die reine Helle in Osten den schönsten Morgen an.

Je mehr sich die Sonne aus den Tiefen erhob, und je reiner von jedem Wölkchen das Firmament erschien, desto lebhafter freute sich meine Seele, an diesem Tage, den Stolz, die höchste Kuppe des Thorsteins, noch nie von Menschen betreten zu seyn, besiegt zu haben.

Für den gänzlichen Genuß dieser Freude, wählte ich mir südlich von Schladming, eine kleine, gegen den Thorstein gänzliche Aussicht gewährende Anhöhe, auf welche ich mich, da ich vermuthete, Buchsteiner und Kalkschmied könnten doch, wenn sie auch nur um 5 Uhr Morgens aufgebrochen sind, den Weg in 9 Stunden zurück gelegt haben, um 2 Uhr Nachmittags begab, allein ungeachtet meines anstrengenden Suchens und Herumsehens, konnte ich, am Thorstein nichts entdecken, und mußte glauben, der Versuch sey gänzlich mißlungen. Um 4 Uhr Nachmittag, verfügte ich mich wieder auf diesen gewählten Observations Punct, verließ ihn aber noch mehr freudenleer, als das erste Mahl, denn weder ich, noch einige dahin aus Neugierde gekommene Leute, waren trotz der starken Einbildung im Stande, auf dieser in Rede stehenden Felsenspitze, etwas neues zu finden. Mit dem Schlage der 6. Nachmittagsstunde, mußte ich meinen Beobachtungs-Platz neuerdings betreten. Schon in einer gewissen Entfernung von dieser Stelle, verkündigte mir die daselbst mit ihren papiernen Fernröhren noch immer gestandenen Leute wie wenig ich mehr hoffen darf, den Thorstein ganz erstiegen zu sehen, da sie mir zuriefen, es wäre schon so spät und noch nichts zu sehen, der Jäger und der Georg, müssen entweder umgekehr, oder aber in eine Eisklüfte gestürzt seyn.

Weil der Mensch für sich selbst, immer das bessere zu glauben geneigt ist, so wollte auch ich mich, wenigstens für einen sehr kurzen Augenblick damit trösten, daß ich diesen Leuten erklärte: Sie seyen durch ihre auf Gläser wenig geübten Augen, und noch mehr durch ihre schlechten Perspective getäuscht. Ich richte mein Fernrohr gegen den Thorstein und im Objectivglas stand senkrecht eine Stange, und damit für die Welt den Beweis, daß Jakob Buchsteiner, wirklich auf der höchsten Spitze dieses allgemein für unersteigbar gehalten Berges gewesen ist.

Daß es schon so spät Nachmittag war, und die Stange erst zwischen 5 und 6 Uhr aufgestellt worden seyn muß, so war an die Zurückkunft der Beyden an diesem Tage, nicht zu denken, und der Umstand, daß sie auch am folgenden Tage nicht kamen, mußte die Besorgnis erregen, daß Buchsteiner von der Spitze nicht mehr herabgekommen, und Kalkschmied wenn er auch nicht ganz auf die Höhe gegangen sein sollte, den Rückweg zwischen den vielen Eisklüften nicht habe treffen können, allein diese Besorgniß, und daß sie erst am 3. Tage d. i. am 7. August zurückkehrten, war nur dadurch herbeygeführt, daß sie aus Vorwiß die ganze Eisebene zu überschauen, nicht ihren ersten, sondern einen ganz andern Weg nach Hause nahmen. Dasjenige, was Buchsteiner und Kalkschmied, von dieser ihrer Reise erzählten, besteht in folgendem.

Sie seyen am 5. August zeitig früh aus der Neustadt-Alpe, ihrem gewesenen Nachtquartier aufgebrochen haben eine Hacke, einen Krampen auf kurze Stiele gestellt und am Fuße des Thorsteins, wo noch etwas Holz wächst, eine 8 Fuß lange Stange genommen, sind dann auf der westlichen Seite des Berges bey der Patscher Schwaigerhütte vorbey, um 8 Uhr früh auf die Scharte, (Windling genannt) gekommen, bey welcher sie auch schon das ewige Eis erreicht hatten. Von dieser Scharte wandten sie sich südlich in der Richtung gegen die früher verlassene Alpe, und ihr weiterer Weg an der Ostseite des Thorsteins zwischen den häufig, über einander gekreuzten, grundlos scheinenden weit geöffneten Eisklüften war so beschwerlich, und gefahrvoll, daß sie erst gegen 3 Uhr Nachmittags an jene Stelle kamen, von der man in das schöne Thal Ramsau, und in einen Abgrund gegen die Neustadtalpe sieht. Von hier mußten sie sich nordwestlich wenden, und nach einigem Fortschreiten gelangten sie auf einen, durch das Schmelzen und Wiederfrieren des Schnees zu hartem Eis gewordenen, sich gegen die Bergspitze hinziehenden schneidigen Rücken.

Nachdem auf allen übrigen Seiten, von der Bergkuppe nur brettartige Felsensteine herabhängen, so war es natürlich, daß sie nur auf diesem Eisrücken, ihrem Ziele sich nähern konnten; da sie von diesem Rücken westlich, in einem tiefen Abgrund, östlich aber in die vielen Schlünde von Eisklüften sahen, glaubten sie den weiteren Versuch um so mehr aufgeben zu müssen, als Kalkschmied sich auf dieser Schneide, nicht mehr im Gleichgewicht erhalten zu können, noch weniger aber, von dem mitgenommenen Werkzeuge etwas zu tragen erklärte. Jedoch sammelte der alte Buchsteiner nach einer kleinen Erholung neuen Muth, äußerte seinen Begleiter aneifernd, nicht umkehren zu wollen, geschehe mit ihm was wolle. Er nahm daher von Danner eigentlich Kalkschmied die Hacke und den Krampen, hing solche in eine, um den Leib genommene Schnur, und schritt damit und mit der aufzustellenden Stange, auf diesen schmalen Eisrücken dessen Ähnlichkeit man sich durch die Betrachtung eines hochgestellten Handfaches, aber wohl mit dem Unterschiede am leichtesten vorstellen kann, daß das Dach gleich eben, dieser Rücken aber aus vielen geformten Stuffen besteht, von Kalkschmied begleitet, vorwärts.

Wenn ich bemerke, daß dieser Eisrücken[1] aus meiner späteren Arbeit erhaltenen Überzeugung, auf der horizontalen Fläche, nicht mehr als 400 Schritt beträgt, und von dessen obern Ende, bis auf die Spitze, am nackten Felsen mehr nur 120 Schritte sind, so wird in der Versicherung dieser beyden Menschen, daß sie auf demselben, theils sitzend, theils nach einer Seite gewendet, haben weiter schreiten müssen. Jemand um so weniger eine Unwahrscheinlichkeit suchen, als es gewiß ist, daß sie zur Zurücklegung dieser Distanz von 400 Schritten, die Zeit von 3 bis halb 6 Uhr, folglich ganze dritthalb Stunden nöthig hatten, und als sich nur derjenige, von solchen Wegen, einen richtigen Begriff zu machen vermag, der so wie ich, bey meinen Operationen auf diesem Eisgebirge, Gelegenheit gehabt hat, die Abwechslung furchtbarer gräßlichen Einöden, mit schönen fruchtbaren Thälern, den Übergang von der Höhe zur Tiefe mit eigenen Augen zu betrachten.

Um halb 6 Uhr Nachmittags also, befanden sich diese zwey verwegenen Bergsteiger, auf der öfter erwähnten, aus verwittertem Gestein bestehenden Kuppe, versenkten in der Mitte derselben, um welche nicht mehr als drey Menschen an einander stehen können, die Stange (wie es bey solchen Leuten, so oft sie sich auf einer Anhöhe befinden, gewöhnlich ist) unter Jauchzen und Singen; wozu aber, so bald sie den Rückweg antraten, dem Kalkschmied gar bald die Freude schwand, weil sie sich beym Herabsteigen, im steilen Gebirg, mit dem Leibe vorwärts gekehrt, entweder an der Seite oder Rückwärts mit den Händen festhaltend, ein weit kleineres Ausschreiten mit den Füßen, rückwärts herabkriechend aber, die größte Ungewißheit des Trittes zum Nachtheil hat, in einer weit größeren Gefahr, als bey ihrem Weg aufwärts sahen. - So kamen sie an eine Stelle, über die Jäger Bachsteiner mit einem gewagten Sprung aufs Glatteis bey 10 Schuh tief glücklich kam, an der aber Kalkschmied, da seine Fußeisen schon ganz krumm, und die Zacken derselben sehr stumpf waren, seine Unvermögenheit zum Weitergehen mit dem Zusatze äußerte, da, wo er sitze, zu bleiben und zu erfrieren, wenn er auch nach einer kleinen Erholung, noch nicht genug entschlossen seyn sollte, auf diesen nähmlichen, sehr engen, rechts über eine weit offene Eisklüfte, links über einen tiefen Abgrund befindlichen Platze, so wie Bachsteiner zu springen, oder sich in den daselbigen Abgrund zu stürzen.

Buchsteiners Empfindung für das Unglück seines treuen Begleiters war nicht gering. Er ließ ihn eine gute Weile ausruhen, und genoß selbst einer Erhohlung, dann aber sprach er Kalkschmieden zu, nicht gar so verzagt zu seyn, bath ihn, seinen Stock herabzuwerfen, und mit diesem und dem seinigen die Füße des Kalkschmieds stützend, gelang es ihm, ihn glücklich herabzubringen.

Nach Hinterlegung noch einiger weniger gefährlichen Stellen, befanden sie sich in Sicherheit, weil aber mit dieser die Dämmerung auch eintrat, und sie ihren weitern Rückweg auf der mit Klüften angefüllten Eismasse, in der finstern Nacht fortzusetzen nicht wagen durften, so lagerten sie sich auf einen aus dem Eise hervorragenden Felsen, und brachten, nachdem sie aus Furcht vor gänzlichem Erfrieren nicht einzuschlafen für räthlich fanden, die Nacht im Gespräch und Tabakrauchen zu. Am 6. August nahmen sie, nachdem es ganz Tag geworden, ihren Weg nach Hause, nicht mehr gegen die Windling, sondern sie gingen östlich gegen den Koppenkahrstein über die ganze Eisebene, über die sie, den unzähligen Eishöhlen nach allen Richtungen ausweichend, erst um 1 Uhr Nachmittag zu den Sennenhütten im Feisterkahr kamen, daselbst ausruhten, und am 7 August früh um 8 Uhr nun in Schladming dasjenige zu erzählen anfingen, was ich von ihrem Gange niedergeschrieben, und worüber ich, bis auf jenen Weg über den genannten Eisrücken, während der Verarbeitung dieser Quadrat-Meile viele Überzeugung erhalten habe.

Ich kann nicht umhin (um denjenigen, der nie in die Lage kommen wird, in einem solchen Gebirge zu wandern, einen nähern Begriff von der großen Gefahr zu geben) noch zu erwähnen, daß dieses Eis durchaus so hart, und an vielen Orten so glatt ist, daß man sich auf demselben nur mit sehr scharfen vielzackigen Fußeisen zu erhalten vermag, daß, weil dieses Eis unter sich ordentliche Berglehnen bildet, jeder auf denselben gemachten Schritt, um so mehr eine schauderhafte Ahnung in dem Innern des Menschen erregt, als man sich immer und auf allen Seiten von wilden Klüften und Abgründen, umgeben sieht.

Quellen

  • books.google.at, Joseph Freiherr von Hormayr: Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst, 1825, Verlag Franz Ludwig, Wien, Seite 85 ff
  • ANNOWiener Zeitung, Ausgabe vom 2. November 1824, Seite 1ff "Besteigung der östlichsten und höchsten des Thor- oder Dachsteins, den 5. August 1823"
  • ANNO → Österreichisches Bürgerblatt für Verstand, Herz und gute Laune, Ausgabe vom 30. Mai 1925, Seite 1: "Die erste Besteigung des Dach- oder Thorsteins am 5. August 19823" von Carl Schmutz

Einzelnachweise

  1. Einen ähnlichen Eissattel hat man hoch auf dem hohen Kreuze einem Nachbaren des Dachsteins zu passiren, welches ich im Jahre 1812 hin und zurück glücklich vollbrachte. Die spiegelglatten Wände auf beyden Seiten erlauben keine andere Bewegung als sitzend auf der Kante, die Steigeisen auf die Hände gebunden, nach und nach hinüber zu rutschen. Der Verlust des Gleichgewichtes würde auch Verlust des Lebens gewesen sein.