Der Paperl von Rottenmann – ein Abgesang
Das Der Paperl von Rottenmann – ein Abgesang ist im Zusammenhang mit der Aufhebung des Augustiner-Chorherrenstift Rottenmann zu lesen (siehe Link).
Einleitung
Was ist in der historischen Erinnerung vom Chorherrenstift Rottenmann übriggeblieben? Literatur über ein nicht lebensfähiges Kloster, Kendlmayrs historisch wertvolles Chronicon Rotenmannense, einige Stiche und Bilder, eine schöne St. Nikolaikirche, die 1785 gerade noch vor dem Abriss von einem Bürger freigekauft werden konnte, ein heute bereits unverstandenes Wappen und die Geschichte vom "Paperl von Rottenmann",[1] welche der originellen Darstellung wegen hier vollständig wiedergegeben werden soll.
Das Archiv des aufgelassenen Stiftes der regulirten Chorherren zu R. in Obersteyer hat unserer Zeit in Originalbriefen den ganzen Hergang überliefert, wie ein Papagey von R. zur Ehre gelangt ist, seiner seltenen Talente wegen an den Wienerhof und in die kaiserlichen Zimmer des Palastes zu kommen.
Der Prälat Johann Albert besaß das gelehrige Thier und brachte ihm in den Stunden seiner Erholung eine Menge sinnvoller und lustiger Sprüche bey. Diese Bildung sammt dem, was der Vogel sich aus dem gewöhnlichen Geräusche des Tages merkte, machte ihn, wie wir sehen werden, zum Demosthenes aller Papageyen.
Als nun der Vogel, in seiner Suada taktfest, mit akademischer Contenance überall in den Tag hinein plauderte und schrie, bestimmte ihn der Prälat zum Geschenke für den römischen König Joseph I. Der Monarch lächelte anfangs gütig verweigernd der demüthigen Bitte um Annahme dieses Geschenks, und gab endlich dem gemüthlichen Drängen nach, ihm einen bloß für seine Erheiterung zu solcher Virtuosität ausgebildeten Vogel überreichen zu dürfen.
Der Papagey verließ unter dem Geleite des Canonikus Subdekans Felix Steuber, und von einem bedächtigen Expressen getragen, R. und kam am 22. November 1697 nach Wien, wo er gleich in den Palast gebracht und dem König vorgestellt wurde.
Er ließ wie es der ObristStall und Jägermeister an den erfreuten Prälaten schrieb, nicht lange auf sein Debut warten und plauderte zur Belustigung seines königlichen Herrn wie in R. darauf los, was ihm in den Schnabel kam.
Daß die Huld des Monarchen den Canonicus im eigenen Jagdwagen von einem Hofbeamten nach Schönbrunn führen ließ, den Träger des Vogels reichlich beschenkte und den Prälaten der gnädigsten Aufnahme des Geschenks versicherte, ist in der Sammlung der Briefe dankbarlich verewigt.
Nun zum Talent des merkwürdigen Vogels. Hier folgt wörtlich das den Akten beiliegende Originalverzeichniß seiner Sprüche und Kunstfertigkeiten, wie man es selbst dem König übergeben hat. Wahrscheinlich hatte er in allen Fächern Eminenz.[2]
Die Sprüch des Paperls von R., welcher anno 1697 von Herrn Joanne Alberto Prälaten daselbst, Ihrer Khönigl. Majestät Josefo Primo verehrt worden. Vivat Leopoldus (mit einer zum Jauchzen erhöhter Stimme). Josephus Primus regnabit AMORE TIMORE (est Symbolus Regis.)
Austria Erit In Orbe Ultima (est Symbolus Fundatoris Rottenmannensis Collegy scilicet A.E.I.O.U.)
Thrau, Schau, wem. Der Paperl ist falsch.
Ein schönes Paperl, Ein gahr schönes Paperl, Ey gar überaus schönes Paperl (so er nach einander mit neuerhobener Stimme widerhollet.)
Der Paperl bitt gahr schön (mit einer absonderlich zum mitleiden bewögender Stimme.)
No, wirstu? Ey du nequam! (so er mit einer throhenden Manier extrawoll vorbringt, auch zum maisten gesprochen, wan er zornig gewest.)
Pfui, schamb dich. – Der Paperl ist bös, gahr bös. Los! was machst du da? (cum speciali modo interrogationis.)
Bst! Audiat. – Mopserl da da da da! (zugleich denen Hunden pfeifen und wischpeln, alles natürlich, warob die Hundt betrogen werden.) Mopserl halt aus. – Lustig Paperl, Paperl lustig! Ju hu hu huy – Gu gu (dem Gugu ganz ändlich so er auch bei nächtlicher Zeit schreiet.) – Wie ein Mensch lachen, huesten, reispern. – Wie ein Hundt khallen, schreien, winßlen – Schreien wie Schwalben, Alstern, Spazen etc. – Einmahl Eins ist Eins, Zweymahl zwey ist vüer, Zweymahl threy (Fidelis) ist über daußent Schölmerey.
N.B. Wenn der Paperl in ein oder andern gefählt hat, hat er sich selbst corrigiert, Sprechend: "Paperl, du hast gefählt."
Möge der Leser an dem Wortlaut des späten 17. Jahrhunderts Gefallen finden. Der "Paperl von Rottenmann" ist wohl eines der wenigen Positiva, das der Historiker der Jahrhunderte währenden "schleichenden Auflösung" des Chorherrnstiftes entnehmen kann.
Quelle
- www.hlk.steiermark.at, pdf. "Die Aufhebung des Chorherrenstiftes Rottenmann" von Josef Hasitschka
Fußnoten-Erklärung
- Franz Wohlgemuth, Geschichte der Pfarre Gaishorn und des Paltentales (Gaishorn 1955) [in Folge: Wohlgemuth, Pfarre Gaishorn], 392. – Weitere Literatur über das Chorherrenstift Rottenmann: Mathias Pangerl, Geschichte des Chorherrenstiftes St. Niklas zu Rottenmann von seiner Gründung bis zu seiner Uebertragung in die Stadt. In: MHVSt 16 (1868), 73–182; Albert Muchar, Diplomatische Geschichte der Stadtpfarrkirche und des Chorherrenstiftes St. Nikolai zu Rottenmann von dessen Gründung bis zur gänzlichen Auflösung mit fortgesetzter Hinsicht auf die Schicksale der Stadt Rottenmann. StLA, HS Nr. 2301; Jacob Wichner, Historische Schilderung der Stadt, Propstei und der Pfarre Rottenmann. Stiftsarchiv Admont Ji-66, HS 1897 [in Folge: Wichner, Rottenmann].