Springer-Villa

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Springer-Villa

Die Springer-Villa ist ein denkmalgeschütztes Objekt in der Gemeinde Wildalpen im Osten des Bezirks Liezen.

Geschichte

Der historische Fellner-Bau wurde um 1870 in der Ortschaft Kühbachau mithilfe Finanzmitteln von Albert Salomon Rothschild im heutigen Naturschutzgebiet Wildalpener Salzatal, unweit des ebenfalls von ihm gestifteten Urwald Österreichs "Rothwald" (heute Wildnisgebiet Dürrenstein[1]) errichtet und der ansässigen Familie Thaller grundbücherlich zugesichert.

Das Erdgeschoß hatte eine Eingangs-Terrasse, die in eine Empfangshalle führt. Im Gebäudeinneren gab es eine große Küche mit Vorratsraum, neun Zimmer, zwei Toiletten, ein Bad sowie zwei Lieferanteneingänge. Weitere elf Zimmer, ein Bad, eine Toilette, ein Balkon, mehrere Vorräume sowie ein Stiegenaufgang in das halb ausgebaute Dachgeschoß bot dann der erste Stock. Die Fenster im Erdgeschoß waren mit schmiedeeisernen Gitter aus der Biedermeier-Zeit versehen. Um die Jahrhundertwende waren zudem eine große Gaupe sowie ein Turm vorhanden, welche allerdings in den 1920er-Jahren abgebrannt sind.

Aufnahme um die Jahrhundertwende.
Die erste grundbücherliche Nennung der Liegenschaft im Zuge eines Verkaufs oder Übergabe datiert mit 23. März 1871 von Maria und Anton Thaller an Anton und Elisabeth Thaller.

Im Erdgeschoß wurde in den 1980er-Jahren eine Wohnung eingebaut, welche allerdings zu starker Schimmelbildung aufgrund von Verwendung unsachgemäßer Materialien geführt hat.

Aufnahme von 2017, unsachgemäße Umbauten und nicht denkmalgerechte Materialien zur Errichtung einer Jäger-Wohnung haben große Schäden in der Villa hinterlassen.

Die aufwändige Entfernung einer Betontrennwand sowie das Entfernen der PVC Bodenbeläge nahmen viel Arbeit in Anspruch legten aber die ursprüngliche Architektur des Eingangsbereichs der Villa wieder frei. Im ersten Stock wurden unter dem Vorbesitzer ab 2013 sämtliche Holz-Fußböden entfernt, welche bis heute noch nicht wieder ersetzt wurden. Sanitäreinrichtungen waren bis zum Verkauf 2017 nicht mehr benutzbar, derzeit befindet sich eine provisorische Toilette sowie ein provisorisches Badezimmer im Erdgeschoß. Bis 2020 wurde der rechte Trakt des Erdgeschoßes durch die Flussberatung[2] wieder nutzbar gemacht, weitere Räume des Erdgeschoßes müssen erst restauriert werden.

Wie eine kleine alpenländische Schwester glich es ursprünglich architektonisch dem um einiges größer geratenen Springer-Schlössl[3] in Wien, wo heute die politische Akademie der ÖVP residiert, und war Teil eines großen Anwesens, dessen Fläche um die Jahrhundertwende große Teile des heutigen Wildalpen umfasste. Aufgrund der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, welcher in Österreich flächendeckend Spuren der sogenannten Entjudungen und Arisierungen durch die heimischen Nationalsozialisten hinterlassen hat, wurde auch das gesamte Kühbauer Anwesens (1938, zum Zeitpunkt der Enteignung durch die Reichsforstverwaltung noch knapp 15 Hektar groß) stark in Mitleidenschaft gezogen.

Die Springer-Villa, die heute mit dem Namen Flussbahnhof[4] ein Ort gelebter österreichischer Geschichtsaufarbeitung ist, steht mit ihrer Geschichte pars-pro-toto für verabsäumte Restitutionshandlungen durch die Verantwortlichen nach 1955 sowie dem damit verbundenen konsequent andauernden Bruch des formulierten Staatsvertrages für Österreich, welcher vorsah, dass Sammelstellen für einen Entschädigungsfond für die durch die Arisierungshandlungen des zweiten Weltkrieges geschädigten, überlebenden WiederkehrerInnen eingerichtet werden. Leider wurden diese Sammelstellen bis ins Jahr 2011 hinein unter Verschluss gehalten, wodurch es in Österreich zu einer flächendeckenden Stagnation hinsichtlich Rückstellungen oder Entschädigungen an die enteigneten Menschen kam. Neben zahlreichen Luxus Liegenschaften und Ländereien, welche im Zuge des zweiten Weltkriegs bereits durch sogenannte "Arisierungsgesuche" von dienst- und reichsfrommen Nationalsozialisten zum Zwecke der Arisierung übernommen worden waren, behielt der nach 1955 folgende Staatsapparat zahlreiche Liegenschaften, aber auch viele andere Kulturgüter einverleibt. Der österreichische Dokumentarfilm "Let's keep it" der Burgl Czeitschner Filmproduktion[5], 2018 hat sich intensiv mit diesem schwierigen Thema auseinander gesetzt.

Die 1938 durch die damalige Reichsforstverwaltung, welche sich nach 1955 in Österreichische Bundesforste umbenannte, enteignete die Jüdin Valentine Noemi Springer[6], welche das Anwesen 1928 erworben hatte, blieb trotz nicht gelungener Restitution bis 2017 Namensgeberin für die Springer-Villa. Valentine Noemi Springer gehörte mit Sicherheit zu einer der materiell am meist geschädigten Jüdinnen Österreichs aufgrund von Neid, Missgunst, Hass und Antisemitismus, welche den Zweiten Weltkrieg in seiner gesamten Grausamkeit ideologisch geprägt haben. Als einzige Tochter des als "reichsten Mann Europas" (vgl. Sandgruber) betitelten Albert Salomon Rothschild und der sehr jung verstorbenen Bettina Rothschild, einer "Frau von ungewöhnlicher Bildung" (Sandgruber, S. 264) besaß Valentine Noemi neben einer umfassenden Kunstsammlung, welche vermutlich in Schloss Sitzenberg aufbewahrt wurde noch das Palais Springer in Wien III, Metternichgasse 8, das Schloss Sitzenberg[7] bei Tulln in Niederösterreich, die Villa Springer in Wildalpen, sowie ein Areal in Seehof, Lunz in Niederösterreich.

Mittels Verwehrung der Einsichtnahme sowie Dokumentenfälschungen behalf man sich bis heute, um die Anträge der zahlreichen Restitutionsgesuche - wie auch im Falle von Frau Springer - nicht bearbeiten zu müssen, wodurch sich die österreichische Nachkriegsgesellschaft nicht nur konsequent aus der Verantwortung schlich, sondern daneben noch große weitere Schäden zugunsten von Korruption und Nepotismus anrichtete.

Im Herbst 2016 stand die Villa um 312.000,00 € zum Verkauf. Nachdem die ÖBV AG nach 80jähriger liebloser Nutzung aufgrund jüngster sehr unglücklicher Pachtversuche die Springer-Villa 2017 abstoßen musste, war sie stark in Mitleidenschaft gezogen und der einstige Glanz der Liegenschaft nur noch mithilfe der sich im Archiv befindlicher Inventarliste des Entjudungsvertrages zu erahnen. An die einstigen kunstvollen Handwerksarbeiten aus Holz erinnert heute nur noch die stark beschädigte Zirbenvertäfelung im Eingangsbereich. Das denkmalgeschützte Anwesen wurde des Verkaufs wegen mitsamt Denkmalschutz vor den Augen des Bundesdenkmalamtes getrennt, sodass die Last des Denkmalschutzes den neuen EigentümerInnen "verkauft" werden konnte. Der Rest des historischen Anwesens, welcher nach wie vor und auf gleichem Weg der Entjudung - wie auch die Villa - unter Nutzung gefälschter Besitzerchronologien im Besitz der ÖBV AG verbleibt, verfügt derzeit noch über die für die Liegenschaft Springer-Villa vorgesehenen dinglichen Rechte dank Zusammenarbeit mit der Argrarbezirksbehörde Stainach-Irdning.

Es wird noch Jahre und viel Restaurierungsarbeiten dauern, bis die Schäden, die in den Nachkriegsjahren durch die Bundesforste und die missbräuchliche Verwendung der Liegenschaft entstanden sind, vollends repariert sein werden. Ebenso wird es noch Zeit beanspruchen bis die österreichische Geschichtsschreibung die Lücken und Lügen aufgrund der in Österreich flächendeckend verabsäumten Entnazifizierungs- und Restitutionsarbeit um die Schicksale der Geschädigten ergänzt haben wird. Der Flussbahnhof ist ein Meilenstein auf diesem Weg.

Quelle

  • www.flussbahnhof.at
  • Roman Sandgruber: Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses. Molden, Wien-Graz-KLagenfurt 2018.
  • Hannes Kammerstätter, Nina Diesenberger: Tragbares Vaterland. 2019.
  • Oliver Rathkolb: Die Reichsforste in ÖSterreich. Arisierung, Restitution, Zwangsarbeit und Entnazifizierung in Österreich. Boehlau, Wien 2010.
  • Grundbuchauszüge aus Landesarchiv Graz ab 1871, Bezirksgericht Liezen, sämtliche zur Liegenschaft noch vorhandene Dokumente, digitaler Kataster, franziseiischer Kataster, Wasserbuch Scheibbs. Aushändigungen und Nichtaushändigungen recherchierter Akten durch den Vorbesitzer ÖBV sowie Argrarbezierksbehörde Stainach-Irdning sowie weitere Ausgrabungen und Recherchen und Transkriptionen, Interviews, Gespräche, aufgezeichnete Diavorträge, Emails durch die Autorin Mag. Christine Punz, Bakk phil, MAS.

Einzelnachweise