Mit dem Motorrad in die Eiswelt des Dachsteins

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Am Fuß des Gosaugletschers mit der Ariel.
Steinige Abfahrt auf der Großen Bärenstaffel von Toni Pospischil und Herbert Sartorius (vorne).
Eine Reportage in der Zeitschrift "Die Bühne".
Eine Reportage in der Zeitschrift "Die Bühne".

Mit dem Motorrad in die Eiswelt des Dachsteins fuhren Mitte August des Jahres 1930 Toni Pospischil und Herbert Sartorius mit ihren beiden Ariel[1] 500 cm³ erstmals den Weg über den vorderen und hinteren Gosausee hinauf zur Grobsteinhütte und Adamekhütte, weiter zur Moräne des Großen Gosaugletschers und dann über den Gletscher selbst.

Die Fahrt

Die Anreise

Die Anreise der beiden Wiener erfolgte in Etappen. Zunächst übernachteten die beiden bei Freunden in Vöcklabruck, bevor sie nach Bad Ischl fuhren. Dort wurden sie, wie der Originalbericht erwähnt, schon derart salzburgerisch eingeregnet[2], daß wir in dem Haus, in das wir uns bei Beginn des Schnürlregens[3] flüchteten, auch übernachten mußten. Am nächsten Tag erreichten sie bei Regen Obertraun, wo sie eine Woche auf besseres Wetter warten mussten.

Nachdem der Regen aufhörte, wollten sie um 3 Uhr Früh über Gosau zu den Gosauseen aufbrechen. Doch es regnete wieder in Strömen. So warteten sie den Vormittag ab, an dem es doch tatsächlich aufklarte. Am Vorderen Gosausee konnten sie die Maut (öS 15.-- pro Motorrad) durch das Vorzeigen eines Empfehlungsschreibens[4] abwenden. Der Fußweg, der an der Gosaulacke vorbeiführte, stand unter Wasser. Herbert Henry Sartorius nahm mit seiner Ariel Schwung und versank bis zum Tank in eiskaltem Wasser. Sie hatten sich in der Tiefe verschätzt (40 cm...).

Die Auffahrt beginnt

Nach einer Rast hielten sie Jäger an, da das Fahren auf dem Gebiet der Staatsforste mit Kraftfahrzeugen verboten war. Wieder half das Empfehlungsschreiben weiter. Hinter dem Hinteren Gosausee sahen sie dann das Dachsteinmassiv frei vor sich. Von dort führte der Weg quer durch die Felsen in einiger Höher über dem See zur Holzmeisteralm. Stellenweise war er so eng, dass die Lenkstangen der Motorräder zur breit waren und nur durch seitliche Neigung bezwungen werden konnte. Bei der Alm gab es auf ihre Aussage, sie wollten auf den Gletscher hinauf, nur Gelächter. Unmöglich, meinten die Almbewohner, völlig ungesichert sei der über eine 800 Meter hohe, fast senkrecht abfallende Felswand führende Steig; außerdem läge jetzt ab 1.500 Meter Höhe Schnee und in der Nähe der Adamekhütte gäbe es Schneeverwehungen von eineinhalb Metern Höhe.

Zunächst erkundeten die beiden nun verunsicherten Motorradfahrer die kommende Strecke zu Fuß. Dann sahen sie ihre Unmöglichkeit ein und kehrten um.

14 Tage später

Groß war ihr Erstaunen, als sie zu Beginn ihres zweiten Versuches das Auto des österreichischen Bundespräsidenten Miklas am Vorderen Gosausee stehen sahen. Auch er, der über die Wegverhältnisse Bescheid wusste, stellte sofort das Gelingen ihres Vorhabens in Abrede. Sie übernachteten nochmals und nahmen am nächsten Morgen um 7 Uhr den Aufstieg in Angriff.

Unsägliche Schwierigkeiten, Lenkfähigkeit gleich null

Bei der Holzmeisteralm ließen die beiden alles Unnötige zurück, um möglichst frei im Fahren zu sein. Die kleinen Spitzkehren waren nur unter unsäglichen Mühen zu bewältigen. Noch schwieriger gestalteten sich die Stufen, die sich in manchen Kehren befanden. 250 Meter erklommen sie die Kleine Bärenstaffel, bevor sie die Große in Angriff nehmen konnten. Immer steiler wurden die Abhänge. Ein entgegenkommender Führer erzählte den beiden, dass an dieser Stelle vor kurzem ein Muli 300 Meter in den Tod gestürzt sei. Mit viel Kraftaufwand und gegenseitiger Sicherung querten sie die 60 Meter breite Große Bärenstaffel mit ihren rund 170 kg schweren Maschinen (je Maschine!).

Endlich erreichten sie die Grobsteinhütte. Halb verdurstet stürzten sie sich auf eine Quelle, ließen die Sicherheit etwas außer Acht und eine Maschine kippte zwischen zwei Felsen. Nachdem sie zuerst einmal ihren Durst gestillt und drei Wasserflaschen angefüllt hatten, musste die abgestürzte Maschine mit mitgeführten Seilen rund 15 Meter herauf geholt werden. Glücklicherweise waren nur Scheinwerfer, Nummerntafel, Kotflügel und Auspuffrohr demoliert.

Am Ziel

Die nächste Strecke brachte Steigungen bis zu 40 Prozent. Die Reifen, die durch hohe Umdrehungszahlen immer wieder heiß wurden, hatten schon stark an Profil verloren. Doch auch diese Schwierigkeiten wurden überwunden und als sie das Plateau unterhalb der Adamekhütte erreichten, wurden sie von einer johlenden Menschenmenge empfangen, die ihnen von der Hütte entgegengelaufen war. Von ihr wurde den beiden Motorradfahrern versichert, dass von hier der Weg ein Kinderspiel sei. Nun konnte auch das Tempo der Fahrt über das Dachsteinplateau deutlich gesteigert werden. Unterhalb der Adamekhütte war noch in einigen Kehren die Moräne des Gosausgletschers zu überwinden. Die Befahrung der Eiswelt des Dachsteins war geschafft!

Zwei Stunden, so schreibt Toni Pospischil in seinem Reisebericht, aßen sie nun erst einmal und verbrachten die Nacht in der Adamekhütte. Am nächsten Morgen ging es dann über das letzte Stück zum Gletscher selbst. Doch sie waren den rutschigen Untergrund nicht gewohnt und so empfahl sich nach einem kühnen Rutscher eine Maschine samt Mann an Bord in eine der vielen Spalten. Doch diese war glücklicherweise eng und die Maschine hing schnell fest. Wieder musste das Motorrad mit Seilen geborgen werden.

Die Abfahrt

Da sie noch am selben Tag wieder im Tal sein wollten, begannen sie nach einem kurzen Mittagsimbiss die Abfahrt. Diese war nicht minder abenteuerlich, führte sie doch denselben Weg hinunter, den sie herauf gekommen waren. Dazu riss einem der Seilzug der Vorderradbremse, dem anderen war das Bremspedal von einem Felsblock abgeschlagen worden.

Unten am Gosausee angekommen, wurden sie von all jenen bejubelt, die ihre Auffahrt zunächst für unmöglich gehalten hatten. Toni Pospischil und Herbert Sartorius kehrten zu ihren Freunden nach Vöcklabruck zurück. Doch am nächsten Tag mussten sie noch dem Bundespräsidenten Bericht erstatten. Das hatten sie ihm versprochen. Also fuhren sie nach Attersee, wo die Familie des Bundespräsidenten zum Sommerurlaub weilte. Doch er war nach Weyregg am Attersee gefahren - zwecks eines Empfangs und Besichtigung eines Lehrerheims. Die beiden fuhren ihm nach und wurden von ihm freundlich empfangen, er hörte sich ihre Geschichte an und gratulierte zur Leistung, die er selbst für unmöglich gehalten hatte.

Quellen

  • ANNOOriginalreisebericht inklusive mehrerer Bilder von Anfahrt, Gletscher und Bundespräsidenten im Das Motorrad, Jahrgang 1930, Heft 131
  • ANNO] weitere Bericht inklusive mehrerer Bilder, Österreichische Auto-Rundschau, 8. Oktober 1930

Einzelnachweise

  1. eine englische Motorradmarke
  2. obwohl doch Bad Ischl in Oberösterreich liegt
  3. siehe swiki:Salzburger Schnürlregen
  4. das nochmals erwähnt, jedoch nicht genau definiert wird