Wildererdrama im Kemetgebirge

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Das Wildererdrama im Kemetgebirge ereignete sich am 13. Juli 1931.

Die Geschichte

Die Mordanklage gegen den Wilderer Augustin Dormann wurde am 16. Jänner 1932 vor dem Leobener Schwurgericht verhandelt.

Das Jägerdrama hatte sich am 13. Juli 1931 im Marktgemeindegebiet von Gröbming im Kemetgebirge beim Brandkogel ereignet. Angeklagt war der 1902 in Au bei Gaishorn, Bezirk Liezen, geborene und dorthin zuständige ledige, wiederholt vorbestrafte Zimmermann Augustin Dormann. Er wurde beschuldigt, den Revierjäger Johann Höflechner er­mordet zu haben; außerdem war er mehrerer ver­buchter und vollbrachter Wilddiebstähle sowie der Übertretung des Waffenrechts bezichtigt.

Die vom Staatsanwalt vertretene Anklageschrift war sehr umfangreich und enthielt folgendes:

Der bei der Herrschaft Feltrinelli als be­eideter Revierjäger angestellte Johann Höflechner unternahm am Morgen des 13. Juli 1931 von der Jagdhütte am "Brand" im Kemet­gebirge einen Dienstgang in sein Revier und kehrte nicht mehr heim. Da an diesem Tag im Revier Höflechners mehrere Schüsse gehört wurden, ver­mutete man gleich, dass der Jäger das Opfer eines Zusammenstoßes mit Wilderern geworden war. Bei eingeleiteter Suchaktion wurde beim Brandkogel in der Nähe des sogenannten Zamtreibbodens die Leiche Höflechners und unweit davon die Kadaver von drei Hirschen aufgefunden wurden. Die am Bauch liegende Leiche des Jägers wies eine vollkommene Zersplitterung des Gehirnschädels auf. Die Leiche lag mit den Füßen auf einem zweifach geknickten Bergstock, an dem mehrere menschliche Kopfhaare klebten. Gewehr und Dienstrevolver des toten Jägers lagen neben ihm. Bei einer Lärche wurden ein Schnappmesser und ein Stilettmesser gefun­den, die nicht Eigentum des Toten waren. Die Art der Verletzungen wies eindeutig daraus hin, dass Höflechner aus nicht zu großer Entfernung aus einer sehr rasanten Schusswaffe tödlich ge­troffen worden war.

Nun setzten Gendarmerieerhebungen ein, die alle bekannten Wilderer des Bezirkes betrafen und auch zur Verhaftung des Sägearbeiters Heinrich Gruber und damit auch zur Ermittlung des Beschuldigten Augustin Dor­mann führten. Dieser entstammt einer Besitzersfamilie in Au bei Gaishorn und gehörte nebst seinen Brüdern zu den berüchtigtsten Wilderern von Obersteiermark. Er war in den Jahren 1820 bis 1930 sechsmal wegen Wilddiebstahls bestraft wor­den und verbüßte seine letzte achtmonatige schwere Kerkerstrafe am 22. Jänner 1931.

Er suchte am 7. Juli den Sägearbeiter Hein­rich Gruber in Stein an der Enns auf, teilte ihm mit, dass er beim Besitzer Matthias Erlb­acher in Ramsau Leiten Wohnung nehmen und von dort einige Wilderergänge unter­nehmen werde; er vereinbarte mit ihm eine Treffen bei Erlbacher für Samstag, den 11. Juli. Nach dieser Besprechung traf Dormann noch am 7. Juli beim Besitzer Erlbacher, einem alten Bekannten aus seinem Wildererleben, ein und forderte ihn auf, beim Wildern mitzu­halten. Erlbacher lehnte diesmal eine Beteili­gung ab, verschaffte dem Dormann aber über dessen Bitte den abschraubbaren, mit aufmontiertem Zielfernrohr versehenen Mexikaner­stutzen des Besitzers Hermann Knaus und stellte ihm seinem Halbbruder Karl Reiter für den für den nächsten Tag geplanten Wilderergang als Führer zur Verfügung.

Am Morgen des 8. Juli brachen Dormann und Reiter ins Gebirge auf, wo Dormann am Abend am Stein einen Achterhirsch anschoss, den er trotz Suchens mit Reiter nicht mehr finden konnte. Nach Nächtigung in der Silberkarhütte, die Erlbacher gehörte, setzten die beiden ihre Nachsuche nach dem Hirsch am 9. Juli fort und fanden ihn schließlich im Jagdrevier des Kommerzialrates Leonhart verendet vor. Dieser Hirsch wurde am 10. Juli mit Hilfe des Mat­thias Erlbacher auf dessen Besitz geschafft, wo Dormann am nächsten Tage, am 11. Juli, den für einen gemeinsamen Wilderergang verein­barten Besuch des Heinrich Gruber erhielt. Er stieg mir diesem noch am gleichen Nachmittag auf die Silberkarhütte auf, wo Gruber mit einem abschraubbaren Mannlichergewehr Erlbachers ausgerüstet wurde, worauf beide bei der Sennerin Karoline Steiner im Stall nächtigten. Am nächsten Tage brachen sie in Richtung des Kemetgebirges auf, wo Dormann im Leonhartschen Jagdrevier eine Rehgeiss schoss und sie nach Ausweiden versteckte.

Im Verlauf des weiteren gemeinsamen Wil­dererganges schoss Dormann noch auf eine Gämse und Gruber einige Zeit später auf ein Hirsch­tier. Doch fehlten diesmal beide, wie ihnen un­widerlegbar auch bis zum Abend des 12. Juli kein Jagderfolg mehr beschieden war. Beide nächtigten dann in der Nähe der Jagdhütte am "Brand", worauf sich Gruber am Morgen des 13. Juli gegen 2 Uhr von Dormann trennte, um durch die "Öfen" und über Gröbming-Lend zu seiner Arbeitsstätte, der Säge Regensburger in Stein an der Enns, zu eilen, wo er um halb 7 Uhr früh mit der Arbeit begann.

Dieser Sachverhalt, der vom Beschuldigten vollkommen zugegeben wurde, war durch das Er­gebnis der Voruntersuchung zu beweisen und die an den angeführten Wildereien mitschuldigen Personen waren deswegen in einem abgesonderten Schöffengerichtsverfahren bereits rechtskräftig verurteilt worden.

Die Ereignisse am 13. Juli

Anlangend die Ereignisse des 13. Juli, an welchem Tage der 26jährige Revierjäger Johann Höf­lechner in Erfüllung seines Dienstes den Tod finden sollte, war man zunächst mangels jeg­licher Zeugen auf die Darstellung des Beschul­digten selbst angewiesen, welcher zuerst ein Zusammentreffen mit dem Jäger in Abrede stellte und dann zu folgendem Geständnis schritt:

Er sei nach Entfernung Heinrich Grubers wieder bergwärts geschritten, um zurück nach Ramsau Leiten zu kommen. Gegen 7 Uhr morgens sei er auf einen kleinen Waldboden ge­langt (nächst dem Zamtreibboden) und habe dort einen Hirsch, der ihn halbflüchtig auf etwa 100 Schritte passierte, mittels Blattschusses zur Strecke gebracht. Er habe den Hirsch dann aus der Decke ge­schlagen, die Grandln herausge­schnitten, das Fleisch im Holz versteckt, die Deck im Rucksack geborgen und dann etwa eine halbe Stunde gewartet und eine Jause eingenommen. Nach Beendigung der Rast sei er einige Minu­ten weiter vorgepirscht, habe mehrere Stücke Hochwild, darunter einen Hirsch niedergehen gesehen und diesen, der gar nicht mehr hoch werden konnte, erschossen. Auf den Schuss seien mehrere Stücke Hochwild hoch geworden und geflüchtet und er habe einen eben verhoffenden Hirsch mit einem Schuss niedergestreckt. Er habe dann den zweiten Hirsch aus der Decke geschlagen, die besseren Fleischstücke herausgelöst und zum Ab­holen hergerichtet.

Dann habe er sich an das Aufbrechen des dritten Hirsches gemacht, wobei es beim Umlegen des Hirsches einen ziemlichen "Rumpler" gemacht habe. Dies dürfte der herannahende Jäger gehört haben, der nun ohne Anruf auf ihn zugesprun­gen sei. Er habe nach seinem daneben lehnenden Stutzen gegriffen und sei über eine Blöße her­untergesprungen, wobei er von dem ihn ver­folgenden Jäger zweimal am unteren Rücken durch Hiebe mit dessen Bergstock gestreift worden sei. Bei der weiteren Flucht talabwärts habe er noch einen Schlag, mehr einen Streifer er­halten, sei dann im Sprung vorgerutscht und mit der rechten Hand, die den Stutzen trug, auf den Boden gekommen. Als er sich eben auf­richten wollte, habe er einen scharfen Schlag auf den Kopf erhalten, habe sich zwei- oder drei­mal überworfen und, noch halb am Boden liegend, den Jäger etwa 15 Schritte über sich stehen gesehen. Dieser habe sein Gewehr mit beiden Händen in Brusthöhe gegen ihn ge­halten; ohne zu zielen und ohne Absicht habe er den Stutzen gegen den Jäger gerichtet und da habe es schon gekracht.

Er sei nach diesem Schuss noch ganz benom­men gewesen, habe gar nicht empfunden, dass der Jäger zusammengestürzt sei und erst beim Aufspringen nach einigen Minuten den Jäger liegen gesehen. Er habe diesen gar nicht mehr angerührt sei zu jenem Hirsch zurückgeeilt, wo er überrascht worden sei, habe dort Rock und Rucksack an sich genommen und jetzt sein Gewehr repetiert. Hierauf sei er in die Ramsau geflüchtetund in der Nacht zum Gehöft des Matthias Erlbacher gelangt. Seine beiden Messer habe er, ohne dessen gewahr zu werden, am Orte des Zusammenstoßes mit dem Jäger verloren.

Augustin Dormann blieb bei seinen späteren Einvernahmen im wesentlichen bei dieser Darstellung, behauptete aber nun, dass er, als er sich nach dem Sturz erheben wollte, das Gewehr, um es mitzunehmen, aufgestellt habe und das dabei ein Schuss zufällig losgegangen sei. Infolge seiner Benommenheit sei ihm das Aufstehen nicht gelungen, er sei noch einige Mi­nuten liegen geblieben und habe an den Jäger gar nicht gedacht. Erst allmählich sei er zu sich gekommen und habe den Jäger liegen gesehen.

Bei dem am 12. Oktober 1931 aufge­nommenen Ortsaugenscheines blieb Dormann im wesentlichen bei seiner Verantwortung, be­hauptete aber nun, dass er nach Erlegen des zweiten Hirsches einen Schuss gefehlt und dann erst mit einem weiteren Schuss den dritten Hirsch erlegt habe. Er habe bei der Flucht, beim Sturz und beim Hinunterkollern seinen Stutzen in der linken Hand getragen. Als er mit den Füßen bergabwärts am Rücken gelegen sei, habe er, rückwärts schauend, den Jäger etwa aus sechs Meter mit Gewehr in Fertigstellung stehen gesehen. Er habe sich aufrichten wollen, sei aber gleich wieder noch vorne gefallen, den Abhang hinuntergerollt und habe dabei einen Schuss ge­hört. Er habe gar nicht das Gefühl gehabt, dass sein Gewehr losgegangen sei, und infolge seiner Benommenheit nicht gewusst, wer den Schuss ab­ gegeben habe. Nach etwa einer Minute sei er aufgestanden und habe den Jäger liegen ge­sehen. Erst als er den Ort seiner Betretung durch den Jäger erreicht habe, habe er wahr­genommen, das sein Schlagbolzen abgelassen sei, sei erst jetzt daraufgekommen, dass der Schuss aus seinem Gewehr gefallen sein müsse. Diese Verantwortung des Beschuldigten, der zugibt, den Tod des Jägers verursacht zu haben, aber jedes Verschulden leugnet und im Zuge der Voruntersuchung sein Verhalten immer harmloser darzustellen versucht, war an sich unglaubwürdig.

Der Bergstock des Jägers wurde unter den Beinen der Leiche, zweifach geknickt, vorgefun­den. was sich mit der Verantwortung des Be­schuldigten, er sei mit dem Stocke mehrmals gestreift und einmal geschlagen worden, nicht in Einklang bringen ließ, zumal die Brüche auch durch den Sturz des Jägers auf den Stock nicht erfolgt sein können. Durch das von den Gerichtsärzten Dr. Reuter und Dr. Laves erstellte Gutachten wurde bewiesen, dass die am Bergstock des Jägers vorgefundenen menschlichen Kopfhaare vom Kopf Höflechners stammen und offenbar durch Schläge mit dem eisenbeschlagenen Ende des Bergstockes vom Kopf des Jägers abgetrennt wurden. Da sich das von Dormann verwendete Gewehr selbst mit Verwendung des Stechers verhältnismäßig schwer abziehen ließ, verlor seine Darstellung der zufälligen Auslösung des Schusses (etwa durch Aufschlagen des Gewehrschaftes auf den Boden) sehr an Glaubwürdigkeit. Weil ferner der Ein- und Ausschuss am Kopf des Jägers an jenen Teilen des Schädels erfolgt sein musste, die an der Leiche nicht mehr vorgefunden wurden, und die Stirnhaut noch vorhanden war, musste zwingend gefolgert werden, dass der Schuss seitlich und ziemlich horizontal durch den Kopf des Jägers ging.

Aus all diesen Tatsachen und den daraus zu ziehenden Folgerungen ging, so schloss die An­klageschrift, eindeutig hervor, dass die Darstellung des Beschuldigten unrichtig war. Wenn sich auch mangels eines Geständnisses nicht erweisen ließ, wie sich der Sachverhalt wirklich zugetragen hatte - es blieb eine ganze Reihe von Möglichkeiten offen - blieb der einzige zwangsläufige Schluss übrig, dass Dormann, um seine oder eines allfälligen Komplizen Anhaltung zu vereiteln, in Tötungsabsicht auf den Jäger geschossen hatte, weil dessen Verwundung seine Lage ja nur verschlechtert hätte und nur ein Toter gegen ihn kein Zeugnis abzulegen vermochte. Bezeichnend war auch, dass der Sägearbeiter Heinrich Gruber, der Wilderergenosse Dormanns vor dem 13. Juli, den erhebenden Gendarmen am 6. August ganz ungefragt angab, er glaube jetzt selbst, Dormann müsse den Jäger erschossen haben, seine Messer habe er absichtlich neben die Leiche gelegt den Bergstock selbst abgeschlagen und womöglich vom Jäger Haare abgerissen und auch auf den Stock hinaufgegeben.

Die Verhandlung am 16. Jänner 1932

Der Angeklagte war eine schmächtige zarte Gestalt mit sehr hübschen Gesichtszügen und braunem, ge­welltem Haar; er schien ein ausgezeichneter Red­ner zu sein und brachte seine Verantwortung in logischem Ausbau vor. Er wurde von den als Gen­darmen erschienenen Zeugen als berühmter Kletterer und berüchtigter Kunstschütze geschildert.

Er erklärt sich des Mordes unschuldig und nur des Wilddiebstahls und Übertretung des Waffengesetzes schuldig. Er gab an, sein Vater sei ein kleiner Besitzer und habe fünf Kinder, von denen er das jüngste sei. Er war bis zu seinem achtzehnten Jahre, nachdem er die Volksschule mit gutem Erfolg absolviert habe, Viehhüter und das Jägern war schon von Jugend auf seine Passion, weil er in seinem Beruf dazu die beste Gelegenheit hatte. Schon zu Hause hatte er immer Ge­wehre gehabt, der Vater ging oft wildern, ebenso die ganze Familie, nur sein ältester Bruder Josef nicht. Die erste Strafe erhielt er mit 18 Jahren mit seinen Brüdern Johann und Benedikt wegen Wilderns in Hohentauern; damals wurden die Brüder außer­dem wegen Bedrohung eines Jägers abgeurteilt. Er selbst erhielt drei Monate.

Der Angeklagte schilderte nun weiter seine verschiedenen Wilddiebstähle, wegen derer er teilweise auch schwer abgestraft wurde. Hin und wieder gab er nach verbüßter Strafe längere Zeit Ruhe, aber dann zog es ihn immer wieder in die Berge. Im Jahre 1924 war er einmal in Untersuchung anlässlich eines Jägermordes (ein Jäger namens Steiner war bei Schladming spurlos verschwunden), doch wurde das Verfahren wich zehnwöchiger Untersuchungshaft eingestellt. Nachdem er im Jahre 1930 einmal ausnahmsweise von einer Wilddiebstahlsanklage freigesprochen war, verdingte er sich in Innsbruck als Zimmermann, welches Gewerbe er erlernt hatte. Doch wurde er von der Firma mangels Arbeit entlassen, kehrte wieder in dir Heimat zurück und begab sich zu Erlbacher in die Ramsau, den er aus einer Leobener Haft kannte. Ein zweiter seiner damaligen Haftkameraden war Heinrich Gruber aus Stein an der Enns, der auch hier bekanntlich eine Rolle spielt

[Ende des Auszuges des Artikels, der unter der Quelle weiter zu lesen ist]

Die Verhandlung wurde vertagt.

Die Verhandlung am 17. Jänner 1932

Nachdem nochmals alle Einzelheiten des grauenvollen Mordes, der hier im EnnstalWiki nicht im Detail wiedergegeben wird, besprochen wurden, stellte der Staatsanwalt den Antrag zur Trennung des Verfahren:

  • Heute sollte nur das Verfahren wegen Wilddiebstahls und Übertretung des Waffengesetzes geurteilt werden
  • und das Verfahren wegen Mord erst nach einem neuerlichen Lokalaugenschein weiterverhandelt werden;

Das Gericht gab dem Antrag statt und Dormann wurde wegen Wilddiebstahls und Übertretung des Waffengesetzes zu einem Jahr schweren und verschärften Kerkers verurteilt.

Unerwarteter Freispruch

Am 15. Juli 1932 fand dann der neuerliche Lokalaugenschein statt. Es waren etwa 200 Menschen, die sich zum Ort des Geschehens begaben. Unter ihnen sah man auch eine schlichte, schwarz gekleidete Frau, die Mutter des ermor­deten Höflechner. Nach überaus beschwerlichem Anstieg von etwa einer halben Stunde erreichte man den sogenannten Brand­kogel. Dort sah man einen aus dem Geröll hervorragender Stein, auf dem sich ein Kreuz befand, unter dem auf einer Kupferplatte zu lesen steht "Andenken an den Jäger Höflechner 1931".

Dormann schildertedann den Zusammenstoß mit dem Jäger, wie er aus der Verhandlung bekannt war. Jetzt zeigte er keine Müdigkeit mehr, sondern fühlte sich ganz in seinem Element. Er zeigte eine unglaubliche Gelenkigkeit, als er sich mit kurzem Anlauf an einem Fichtenast 180 Grad um den Baumstamm herumwirbelte. Als der Staatsanwalt in diesem Zusammenhang beantragte, zwei Jäger möchten sich dazu hergeben, Flucht und Verfolgung vorzuführen, wobei der Verfol­ger versuchen sollte, mit dem Gewehr auf der Achsel auf den Flüchtling, und zwar mit beiden Händen, einen Schlag mit einem Stock zu führen, erklärte Dormann frech: "Das sind lächerliche Feststellungen!" — Staats­anwalt: "Unglaublich, solch eine Impertinenz lasse ich mir von einem solchen Menschen nicht gefallen!"

Um halb 11 Uhr Vormittag schloss der Vorsitzende nach Erstattung eines Gutachtens des Sanitätsrates Dok­tor Kraemer den Lokalaugenschein. Um 15:30 Uhr Nachmittag wurde im Turnsaal des Deutschen Turnvereines Gröbming unter ungeheurem Andrang die Verhandlung fortgesetzt.[1]

Bei der Verhandlung legte der Gerichtshof den Geschworenen eine Haupt­frage auf Mord, eine Eventualfrage auf Tot­schlag, im Falle der Verneinung der Hauptfrage und eine Hauptfrage auf öffentliche Gewalttätigkeit vor. Die Geschworenen verneinten einstimmig die Frage auf Mord und die Frage auf Totschlag beantworteten sie mit 9 Nein und 3 Ja. (Große Bewegung im Saal.) Die dritte Frage beantworteten sie mit 9 Ja und 3 Nein. Gleichzeitig baten sie den Gerichtshof um größtmög­liche Milde. Dieses Ersuchen löst im Saal die größte Em­pörung aus. Es werden stürmische Pfuirufe laut. Der Vorsitzende mahnte zur Ruhe.

Staatsanwalt Dr. Suppan erklärte, dieser Wahr­spruch der Geschworenen enthalte einen Widerspruch. Der Vorsitzende bestätigte nach kurzer Beratung diese Tatsache und forderte die Geschworenen auf, sich noch einmal zurückzuziehen und den Wahrspruch zu verbessern. Diese Verbesserung konnte sich nur auf die dritte Frage beziehen. Nach abermaliger Beratung beantworteten sie die 3. Frage mit 9 Nein und 3 Ja. Daraufhin endete die Verhandlung um 1 Uhr früh mit dem Freispruch Dormanns. Vor dem Turnsaal, wo die Verhandlung stattgefunden hatte, war eine große Menschenmenge versammelt, die ihrer Empörung über den Freispruch Luft machte. Besonders in Jägerkreisen begreift man diesen nicht. Gendarmerie räumte schließlich den Platz.[2]

Unter Hinweis auf den im Montag-Mittagblatt des "Grazer Tagblatts" er­schienenen Bericht "Nachwort zum Freispruch vom Jägermord"[3] ersuchte der Verteidiger des August Dor­mann, Dr. Otto Spiegel, um die Veröffentlichung nach­ stehender Zeilen:[4]

Der Lokalaugenschein ergab keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Jäger Höflechner aus einem Hinterhalte oder daß er im Kampfe mit einem oder mehreren Wil­derern erschossen wurde. Auch die in dem überfüllten Saale des Deutschen Turnvereines zu Gröbming durch­geführte Verhandlung ergab keinerlei Beweisgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob der Tod des Jägers Höflechner durch Mord, Totschlag oder einen unglück­lichen Zufall erfolgte. Die Geschworenenbank bestand aus zwölf ordentlichen und zwei Ersatzgeschworenen: unter diesen vierzehn Geschworenen, die den verschiedensten Berufen angehörten, waren, wie sich bei der Beeidigung ergab, lediglich zwei Konfessionslose, während alle anderen der katholischen und evangelischen Religion an­gehörten. Die Geschworenen haben sich nunmehr für keine der verschiedenen Möglichkeiten, die zum Tode des Jägers Höflechner geführt haben konnten, entschieden und mußten aus diesem Grunde die Mord- und Totschlags­ frage verneinen, eine Frage auf fahrlässige Tötung war den Geschworenen nicht vorgelegt worden, weil aus dem Bervetsverfahren ein Anhaltspunkt dafür, daß der Tod des Jägers Höflechner ans einer Fahrlässigkeit des An­geklagten beruhe, nicht gegeben war. Der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes, OLGR. Dr. Marinitsch, nutzte in­folge des großen Interesses an diesem Prozesse, um eine Überfüllung des Turnsaales zu vermeiden, den Zu­tritt zur Schwurgerichtsverhandlung nur jenen Personen Vorbehalten, die sich rechtzeitig Eintrittskarten gesichert hatten. Eine Kontrolle über die Zuschauer an den offenen Fenstern war dem Schwurgerichtshofe unmöglich, der Vorsitzende hat ausdrücklich betont, daß er unmündigen Personen die Anwesenheit bei der Schwurgerichtsverhandlung nicht gestatte. Was nun schließlich mein Verteidigungshonorar anlangt, so ist das Gerücht, es habe "eine Wildererbande" meinem Klienten für die Auf­bringung desselben gehaftet, vollkommen aus der Luft gegriffen, weil das Honorar von der Familie des An­geklagten Dormann bezahlt worden ist. Die Erbitterung über den ungesühnten und unauf­geklärten Tod des Jägers Höflechner ist gewiß begreif­lich, doch kann den Geschworenen kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie in einem derart komplizierten Falle mangels ausreichender Beweise für den Tatbestand des Mordes oder Totschlages diese beiden Hauptfragen verneinten. Die Bejahung der Frage in der Richtung des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch gewaltsame Handanlegung gegen obrigkeitliche Personen war widersinnig, wenn die Voraussetzung des Mordes oder Totschlages nicht gegeben war. Aus diesem Grunde haben die Geschworenen über Antrag der Staatsanwalt­schaft und nach Belehrung durch den Vorsitzenden auch die dritte Frage verneint.

Kurzbericht im "Der Ennstaler"

Der 26 Jahre alte Revierjäger Johann Höflechner der Waldherrschaft Kemetgebirge (Brüder Feltrinelli) in Gröbming hatte am 13. Juli 1931 um vier Uhr Früh einen Dienstgang angetreten, ist aber von diesem nicht mehr zurückgekehrt. Er hatte mit dem Oberjäger Schmied vereinbart, mit ihm am 14. Juli um 6 Uhr Früh am Lärchkogel zusammenzutreffen, um dann eine gemeinsame Streifung durchzuführen.

Höflechner kam jedoch nicht zum Lärchkogel, weshalb sich Oberjäger Schmied in die Jagdhütte begab. Im Hüttenbuch fand er von der Hand des vermissten Jägers eine Eintragung, dass er am 12. und 13. Juli im Revier die Spuren von Wilderern entdeckt hatte und dass auch sechs bis acht Schüsse gefallen waren. Diese Angaben ergaben den Verdacht, dass Jäger Höflechner ein Opfer der Wilderer geworden war.

Sofort nach Eintreffen der Meldung des Vermisstseins des Jägers wurden (am Dienstagnachmittag) von der Gendarmerie, Jägern und Holzarbeitern Streifungen im Kemetgebirge durchgeführt. Die Leitung der Nachforschungen lag in den Händen des Bezirksgendarmeriekommandanten von Gröbming, Inspektor Gollner, der dazu von den Gendarmerieposten Schladming, Haus, Gröbming und Mitterndorf Gendarmeriebeamte heranzog.

Am Donnerstagvormittag stieß man etwa eine halbe Stunde vom Brand entfernt auf die Leiche des Jägers Höflechner, die einen schweren, tödlichen Kopfschuss aufwies.

Quellen

  • ANNO, "Grazer Tagblatt", Ausgabe vom 16. Jänner 1932, Seite 11
  • ANNO, "Grazer Tagblatt", Ausgabe vom 17. Jänner 1932, Seite 15
  • Der Ennstaler, Sonderausgabe 100 Jahre Der Ennstaler, August 2006

Einzelnachweise

  1. ANNO, "Grazer Tagblatt", Ausgabe vom 16. Juli 1932, Seite 2
  2. ANNO, "Grazer Tagblatt", 16. Juli 1932, Seite 12
  3. ANNO, "Grazer Tagblatt", Ausgabe vom 18. Juli 1932, Seite 5
  4. ANNO, "Grazer Tagblatt", Ausgabe vom 20. Juli 1932, Seite 5