Vom Beten in der Natur

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blühnende Bergwiese auf der Planneralm

Der Text Vom Beten in der Natur wurde von Rudolf Nebl geschrieben und im Schladminger katholischen Pfarrblatt Rund um den Zwiebelturm veröffentlicht.

Einleitung

Rudolf Nebl:
Meine letzten Aufsätze haben sich mit sakramentalen und liturgischen Formen unserer Hinwendung zu Gott beschäftigt. Heute, im letzten Zwiebelturm vor den Sommerferien, möchte ich ein wenig der Frage nachspüren, ob wir Freizeit, Urlaub, Natur und Landschaft noch als Geschenk, als etwas Dankenswertes erleben.

In Gegenden, wo der Landwirtschaft noch höhere Bedeutung zugemessen wird, gibt es auch heute noch die Flurumgänge und häufigeren Bittprozessionen. Im Gebet um Abwendung von Unwettern und Katastrophen, in der Bitte um Segen für Saat und Ernte, Haus und Hof, Mensch und Vieh schwingt wirklich noch die Sorge um die Sicherung der Lebensgrundlagen mit.

Seit einiger Zeit beteiligen sich unsere christlichen Gemeinden mit zunehmendem Interesse an der Gestaltung religiöser Feiern draußen in der Landschaft. Unter Wanderern und Urlaubern scheint der Wunsch nach Besinnung und Gebet in der Natur stärker zu werden. Die Kirchengemeinden arbeiten da gerne mit; wir müssen allerdings darauf achten, dass diese Feiern nicht zur folkloristischen Sonntagsgaudi verkommen: Waldandachten und Bergmessen dürfen nicht Vorwand für religiös verbrämte Musikantenstadl werden. Es ist jedenfalls tröstlich zu hören, dass im Wandern durch die Schönheit unserer Landschaft das Suchen und Fragen nach den Wurzeln unseres Seins wach wird. Ich wünsche mir das besonders auch für uns "Eingeborene" - gerade wir sollen dankbar erkennen, welchen Reichtum uns Gott mit unserem heimatlichen Umfeld anvertraut hat.

Die folgenden drei Gebete können Sie, je nach Befinden, als Momente der Besinnung oder als kleinen, fröhlichen Beitrag zur Ferienlaune auffassen!

Gebet eines Tourismusmanagers

Sehr geehrter lieber Gott! Na, da schaust Du - wie man aus dem vorsintflutlichen "Projekt Schöpfung" eine Erlebnis- und Abenteuerlandschaft macht! Jetzt noch ein paar Zufahrtsstraßen, ein paar Schilifte, ein paar Berghotels - und das Ganze ist nicht wiederzuerkennen. Wenn Du dann noch genügend zahlungskräftige Gäste schickst und uns schlechtes Wetter sowie allzu clevere Konkurrenz vom Leibe hältst - dann müsste die kommende Saison eigentlich hinhauen. Solltest Du, lieber Gott, mich bei einem besinnlichen Moment ertappen, so lasse mich erkennen: Nächtigungsziffern und Auslastungsstatistiken sind nicht alles. Wahrscheinlich haben wir es doch vor allem mit Menschen voller Hoffnungen, Sehnsüchten und Gefühlen zu tun. Nun will ich noch schnell Deinen heiligen Namen mit all den Gästen, die bisher schon kamen, höflich loben und preisen. Amen.

Gebet eines Touristen

Gott sei Dank, endlich gelandet! Sogar der alljährliche Stau war erträglich, Quartier und Verpflegung scheinen dem Prospekt zu entsprechen, die Wettervorschau klingt günstig. Also, lieber Gott, nun bring mich mal in entsprechende Urlaubsstimmung. Hilf mit, dass ich in den guten Leuten hier vor allem Menschen und nicht nur Zimmermädchen und Oberkellner sehe; dass ich das Handy im Koffer stecken lasse und dafür alle guten Manieren auspacke, auf die ich daheim so stolz bin. Hilf mir, abzuschalten, auszuspannen und allen Stress zu vermeiden. Und wenn ich in diesem Urlaub gar mich selbst erkenne - lass mich nicht zu sehr davor erschrecken! Sollte ich aus diesen Ferien gesund und erholt wieder heimkommen, werde ich Dich, lieber Gott, dort vielleicht sogar einmal besuchen!

Gebet einer Bergwiese

Tausend Dank, lieber Gott, dass mir das Schicksal meiner Nachbarn erspart blieb und ich kein Parkplatz geworden bin. Dafür werde ich ergeben den Schmerz ertragen, wenn sie mir demnächst wieder Liftstützen in meinen schönen grünen Rücken stoßen. Lieber Gott, schick mir diesen Sommer wieder viele fröhliche und dankbare Wanderer; aber - bitte, lehre sie, nicht allzu wild auf mir herumzutrampeln, meine kostbarsten Blumen abzurupfen oder durch Geschrei und Gejohle meine ständigen Bewohner zu erschrecken. Vielleicht lernen sie auch noch, durch Deinen heiligen Geist, ihre Bierdosen und Jausenpapierln wieder mitzunehmen. Lieber Gott, ich danke Dir für Wind, Sonne und Regen - sie lassen mich wachsen und strahlen im Sommer. Danke auch für den hüllenden Schnee des Winters, der mir Zeit zum Ausruhen gibt. Mit all meinen Kräutern und Gräsern, Steinen und Blumen nimm an, guter Gott, das stille Lob Deiner Bergwiese!

Quelle

  • Pfarrblatt Rund um den Zwiebelturm, Erscheinungsdatum unbekannt