Todesmarsch 1945: vom Paltental nach Liezen

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Dr. Alois Leitner hat den Todesmarsch ungarischer Juden über den Triebener Tauern im April 1945 in der Publikation "Der Tauern" Beiträge zur Kultur- und Heimatgeschichte Hohentauerns, im April 2010 beschrieben. Dieser Artikel schildert die damit verbundenen Ereignisse zwischen dem Paltental und Liezen.

Auszug aus der Gendarmeriechronik Trieben

"Am 12. April 1945 erhielt der hiesige Posten den telefonischen Befehl, am 13. April an der Rayonsgrenze im Sunk mit Volkssturmmännern einen Judentransport von ca. 1 000 Juden zu übernehmen, bis zur Rayonsgrenze nach Edlach zu begleiten und dort dem Posten Rottenmann zur Weiterleitung zu übergeben. Die Juden waren derart ausgehungert und entkräftet, dass der Transport nur schleppend vor sich ging. Die ca. sechs Kilometer lange Strecke brauchte einen Zeitaufwand von vier Stunden. Nächst Trieben wurde vom Volkssturmmann Ludwig Stütz ein Jude erschossen, weil er nicht mehr weiter konnte. Stütz, sowie der Volkssturmkommandant Johann Hager wurden wegen dieser Tat im Juni 1945 verhaftet und eingeliefert."

Zeitzeugenberichte aus Trieben und St. Lorenzen

Der ehemalige und bereits verstorbene Bürgermeister von Trieben Hans Grassegger erinnert sich in seinen schriftlichen Aufzeichnungen daran:
"Dieser Elendszug, aus dem die meisten letztendes doch umkamen, wurde nicht durch die Ortschaften, sondern an den Ortsrändern geführt, um möglichst den Einheimischen nicht die Möglichkeit zu geben, dieses schreckliche Bild zu sehen."

Die letzten Kriegstage in Sankt Lorenzen im Paltental: Diese Schilderung stammt aus einer anonymen Aufzeichnung aus dem Jahre 1951, die im Landesarchiv verwahrt wird.
"In der Osterwoche 1945 war ein Geschehen, das ich, so lange ich lebe, nie vergessen werde. Schon einige Tage vorher wurde bekannt, dass 5 000 Juden über den Triebener Tauernpass getrieben würden – Ziel Mauthausen. Ich war mit meinem Töchterl auf unserem Schrebergarten, der hart an der Reichsstraße lag. Auf einmal sahen wir, wie sich eine dunkle Masse langsam dahinschleppte. ‚Mam’, sagte entsetzt mein Töchterlein, ‚schau, die Juden!’ Wir suchten in einem Gesträuch Versteck, weil wir Angst hatten. Es war ein grauenhafter Anblick! – Barfuß, in Lumpen gehüllt, fast verhungerte Gestalten, die man kaum mehr Menschen nennen konnte, krochen mehr, als sie gingen in Achterreihen, links und rechts bewacht von Männern, die Gewehre trugen. Die Letzten, halbtot, wurden getragen, nachgeschleift. Als die Dunkelheit anbrach, hörte man Schüsse, wahrscheinlich Fangschüsse, wie der Jäger sagt. Wir sahen mit eigenen Augen, wie die Geschöpfe Gras rupften und es gierig "fraßen", Schnecken und Würmer auflasen und ebenfalls verzehrten. Das nun genügte, um uns den letzten Glauben zu nehmen. Daheim angekommen, verbrannten wir unser Hitlerbild, denn wer so Menschenunwürdiges duldete, hatte bei uns keinen Platz."

Auszug aus der Gendarmeriechronik Rottenmann

"13./14.4.[1945]: Juden aus Ungarn in Richtung Mauthausen zu Fuß durchgezogen, die ihre eigenen Totengräber bei sich hatten. Es waren noch mehrere hundert. Viele sind unterwegs infolge Erschöpfung umgekommen."

In Rottenmann wurden nach dem Krieg die Leichen von drei jüdischen Opfern gefunden. Eine Erhebung bei der Pfarre und der Friedhofsverwaltung in Rottenmann ergab, dass Gräber mit ermordeten Zwangsarbeitern weder bestanden noch bestehen.

Zeitzeugenberichte aus Rottenmann und Liezen

Ein ehemaliger Postbediensteter von Rottenmann (Jahrgang 1926) erinnert sich wie folgt:
"Es muss im April 1945 gewesen sein, als ich wie schon oft vorher, bei meiner Tante auf Besuch war. Sie hatte in Boder (Ortsteil von Rottenmann) ein Häuschen, das von einem Zaun umgeben war. Angrenzend an den Zaun verlief die Straße BüschendorfSt. Georgen. Ich stand damals am Zaun und blickte auf die Straße. Plötzlich sah ich eine Menge Menschen, flankiert von Soldaten mit Gewehren in der Hand, von Büschendorf kommend in meine Richtung gehen. Ich war erschüttert und erschrocken, als die ersten Menschen an mir vorbeiwankten. Abgemagert bis auf das Skelett, mit gebrochenen Augen, die Nirgendwohin blickten, erschöpft, ausgemergelt, sich nur mühsam auf den Beinen halten konnten, dazu das ewige Gebrülle der Soldaten: weiter, weiter
---. Auf einmal – ich traute meinen Augen nicht – ließen sich vier, fünf dieser armen Kreaturen auf die Knie fallen, rupften das neben der Straße wachsende Gras und schlangen es in sich hinein. Weiter, weiter ----, so schrien die Soldaten, das Gewehr teilweise im Anschlag. Ich war von dem Gesehenen so erschüttert, ich konnte nicht mehr hinsehen und ich lief mit Tränen in den Augen in das Haus. Angezogen waren diese Menschen, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, mit Sträflingskleidern. Sie wurden von Irgendwo nach Irgendwohin getrieben. Dieses Geschehnis hat sich tief in meine Seele eingefressen. Ich werde diese Bilder mein ganzes Leben lang nicht vergessen."

Ein damals 16-jähriges Mädchen erinnert sich:
"Am Sonntag in der Früh um ca. 6 Uhr sind wir in den Stall gegangen um mit der Arbeit zu beginnen. Da hörten wir Trapp, trapp. Dort wo heute die Fa. Deisl ihr Geschäft hat (kurz vor Liezen), sind sie dann gekommen. Entsetzlich zum Anschauen, einige haben Gras und die anderen Regenwürmer gesucht und gegessen. Unsere Nachbarin wollte ihnen Brot reichen, da wurde sie von der Wachmannschaft sofort mit dem Erschießen bedroht. Die Gehbehinderten wurden erschossen und an Ort und Stelle von den Kameraden notdürftig beerdigt. Meist haben noch die Hände und Füße herausgeschaut. Lautlos, außer das Trapp, trapp sind sie Richtung Liezen verschwunden. Ich werde diesen Anblick mein Leben lang nicht vergessen."

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