Schladming im Schatten von Haus im Ennstal

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Schladming im Schatten von Haus im Ennstal ist ein vielleicht etwas provokanter Titel des nun folgenden Beitrages, der zur Aufklärung eines historisch bedingten Spannungsfeldes zweier Nachbargemeinden beitragen soll, das heute nicht mehr so spürbar ist, wie noch vor Jahrzehnten.

Einleitung

Es ist nicht ein Einzelfall in der geschichtlichen Entwicklung von Orten, dass ihre Bewohner nicht immer in völligem Einklang zueinander leben, ohne vielleicht heute noch über die Ursachen der Verschiedenheit gegenteiliger Auffassungen von einst Bescheid zu wissen. Dazu eine Begebenheit aus dem oberen bzw. mittleren Ennstal. Der politische Umschwung des Jahres 1848 brachte auch eine Neuordnung der Verwaltungsbehörden in der Steiermark. Für die Gerichtsbezirke Irdning, Gröbming und Schladming wurde in Irdning eine Bezirkshauptmannschaft mit einer Expositur in Bad Aussee am 23. August 1849 errichtet. Da sich die Bürger von Gröbming durch diese Maßnahme benachteiligt fühlten, entspann sich nun eine jahrelang währende Meinungsverschiedenheit zwischen der Bevölkerung von Gröbming und Irdning, da die Gröbminger der Meinung waren, dass die Errichtung einer Bezirkshauptmannschaft für das obere Ennstal in Gröbming doch sinnvoller wäre.

Eine abermalige Neuordnung der Verwaltungsbehörden in der Steiermark brachte aber dann doch die Gründung der Bezirkshauptmannschaft in Gröbming mit Wirksamkeit vom 14. Mai 1873.

Heute haben sich allerdings die Gemüter sowohl in Gröbming als auch in Irdning wegen der Vormachtstellung der Verwaltungsbehörde beruhigt und wohl kaum einer der jüngeren Bewohner dieser Märkte weiß über die Ursachen dieser Meinungsverschiedenheiten Bescheid.

Geschichtsverlauf beider Orte

Wenn wir nach dem Grund fragen, warum einst die Schladminger nicht immer auf die Hauser gut zu sprechen waren, müssen wir zunächst wohl etwas weiter auf den Geschichtsverlauf beider Orte zurückgreifen, auf die politischen Verhältnisse die in Schladming im 17. und 18. Jahrhundert herrschten.

Bei einer Feuersbrunst im Jahre 1618 wurde auch der Marktfreibrief von 1530 ein Raub der Flammen. In einem Majestätsgesuch erbaten sich die Schladminger die Wiedererlangung der Marktfreiheiten, welche sie aber nur teilweise bestätigt bekamen. Die Hoffnung, dass mit dem neuen Marktfreibrief das von 1525 (Schladminger Bauern- und Knappenaufstand 1525) entzogene Recht der freien Marktrichterwahl den Schladmingern wieder zuerkannt werde, erfüllte sich aber nicht. Kaiser Ferdinand II. verkaufte 1630 dem steirischen Landeshauptmann Karl Graf von Saurau die Herrschaft Wolkenstein mit den Ämtern Irdning, Unterburg und Schladming. Da sich Graf Saurau weiterhin auf das Verbot der freien Marktrichterwahl stützte, entstand zwischen den Schladminger Bürgern und dem Grafen Saurau eine heftige, lang andauernde Auseinandersetzung in deren Verlauf der Schladminger Hutmacher Franz Karl Sieder eine führende Rolle spielte (siehe Siedergasse).

Im Streit zwischen der saurauischen Herrschaft und den Schladminger Untertanen musste Sieder mehrmals peinliche Verhöre mit Leibeszüchtigungen (Folter) im Gefängnis von Irdning über sich ergehen lassen, doch endete der Kampf um die Wiedererlangung der vollständigen Marktfreiheit erst im Jahre 1848.

Im Hinblick auf die politische Entwicklung des Landes bis hin zum Revolutionsjahr 1848 und auch die Schwierigkeiten in der Marktverwaltung von Schladming entschloss sich die Bürgerschaft die Verwaltung Schladmings der Bezirksobrigkeit Haus zu übertragen.

Es ist also nicht verwunderlich, wenn man Akten aus dem Verwaltungsbereich von Schladming mit "Bezirksobrigkeit Haus" gestempelt und vom "BezirkskommissärJunghanns" oder "Hofer" unterschrieben findet. Es war also die Zeit, in der Schladming seine Amtsgeschäfte nicht selbständig erledigen konnte, sondern "im Schatten von Haus" stand. Bekanntlich war der 1844 gewählte Marktrichter Johann Angerer bis zur neuen Gemeindeverfassung im Jahre 1849 gezwungen, wöchentlich einmal bei der Bezirksobrigkeit Haus zu erscheinen, um über die laufenden Angelegenheiten in Schladming Bericht zu erstatten. Durch die selbständige Gemeindeverwaltung Schladmings führte Johann Angerer die Amtsgeschäfte unter dem nunmehrigen Titel eines Bürgermeisters bis zu seinem Rücktritt im Jahre 1858.

Nach seinem Ausscheiden vom Bürgermeisteramt erhielt Angerer vom k.k. Kreisamt in Judenburg ein Dank- und Anerkennungsschreiben für seine "langjährige, eifrige, tätige und aufopfernde Dienstleistung unter den schwierigsten Zeitverhältnissen" und seine "stets bewährte loyale Gesinnung".

Man darf aber nicht übersehen, dass es neben der Abhängigkeit Schladmings von der Herrschaft Saurau im 18. und angehenden 19. Jahrhundert noch eine viel längere Zeit der Abhängigkeit von Haus in kirchlicher Hinsicht gab. Obwohl die St. Achatiuskirche von Schladming vermutlich schon im 13. Jahrhundert erbaut wurde, gab es bis zum 16. Jahrhundert keinen eigenen Seelsorger. Die Hauser "Gesellpriester" (heute Kapläne) betreuten die Schladminger Kirche. Die "Mutterpfarre" Haus war tonangebend in allen Fragen der Kirchenverwaltung des oberen Ennstals. Dennoch konnte es nicht verhindert werden, dass während der Zeit der Glaubensspaltung dem evangelischen Volk die St. Achatiuskirche offenstand.

Es gab seit 1570 in Schladming einen evangelischen Prediger und bis zur Gegenreformation sogar zwei "neugläubige" Geistliche. Die Glaubensfreiheit währte aber in Schladming nicht lange, denn unter Erzherzog Karl II. von Innerösterreich und dem katholischen Bischof Martin Brenner wurde in der Steiermark und so auch in Schladming mit aller Härte die Gegenreformation am Ende des 16. Jahrhunderts durchgeführt. In den Jahren 1599 und 1600 durchzogen Religions- und Reformationskommissionen das Land, wobei der evangelischen Bevölkerungen gedroht wurde, empfindlich bestraft zu werden, sollte sie die Anordnungen zur Wiederherstellung des katholischen Glaubens missachten. Nach Abhaltung eines Gottesdienstes und des vom Volk erzwungenen katholischen Glaubenseides wurde die Achatiuskirche wieder als Filiale der Mutterpfarre Haus untergeordnet und von Pfarrer Jodok Zeller zur weiteren Verwaltung übernommen.

Für Bürger und Bauern begann in den Jahren 1599 bis 1601 die Zeit der Verfolgung und des Geheimprotestantismus. Ein großer Teil der Bevölkerung blieb aber trotz aller Mühsale und Beschwernisse dem neuen Glauben treu und bekannte sich nur zum Schein zum katholischen Glauben.

Schließlich brachte aber auch das Toleranzpatent vom 13. Oktober 1781 den Schladmingern vorerst noch nicht die endgültige Religionsfreiheit. Wer sich zur evangelischen Religion bekannte, musste sich einer katholischen Religionskommission in Haus stellen, die von April bis Juni 1782 tagte. Unter der Leitung des Hauser Dechants Benedikt Ignaz Estendorfer wurden alle Personen, die sich zur evangelischen Religion bekannten einem Verhör unterzogen, bei dem man befragt wurde, weshalb der Übertritt in die neue Religion erwünscht sei.

Wenn auch die Ursachen der einstigen Abhängigkeit von Haus im Laufe der Zeit manchem Schladminger nicht mehr bekannt sind, so mag es auch heute nicht selten vorkommen, dass beim Zusammentreffen von Schladmingern und Hausern Redewendungen gebraucht werden, die zwar nicht ernst zu nehmen sind, aber doch eine Unterschiedlichkeit beider Orte von einst deutlich werden lassen.

Quelle